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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Werkstätte.
    Dann sagte Beauchêne großmütig: »Nun, mein lieber Moineaud, beruhigen Sie sich, seien Sie fest. Nach einem solchen Skandal kann ich freilich Norine nicht behalten, die durch ihren Zustand übrigens ohnehin gezwungen gewesen wäre, aus der Arbeit zu treten. Aber Sie wissen, wie sehr wir Sie alle achten. Das, was geschehen ist, hindert nicht, daß Sie trotz alledem ein sehr guter Arbeiter und ein sehr braver Mann sind.«
    Moineaud war sehr gerührt. »Gewiß, Monsieur Beauchêne. Aber es ist doch schwer, eine solche schmutzige Geschichte zu ertragen.«
    Der Chef wurde immer edelmütiger. »Bah, es ist nicht Ihre Schuld, Sie können nichts dafür. Hier, da haben Sie meine Hand!«
    Und Beauchêne drückte Moineaud die Hand, der sehr geschmeichelt, zu Tränen gerührt, die Werkstätte verließ. Euphrasie hatte triumphierend ihren Platz wieder eingenommen. Und alle Arbeiterinnen, denen beim geringsten Lärm mit sofortiger Entlassung gedroht worden war, saßen in tiefem Schweigen über ihre kleinen Schleifmaschinen gebeugt.
    Mathieu war ganz betäubt; er behielt natürlich seine Gedanken für sich, aber zahlreiche Fragen stürmten auf ihn ein, die er sich nicht zu beantworten wagte. Er hatte mit wachsendem Erstaunen Beauchêne angesehen, der sich nun majestätisch zurückzog, als strenger Chef, der mit energischer Hand die Ordnung wiederhergestellt hatte. Und als er, um in sein Bureau zu gelangen, das Zimmer Moranges durchschnitt, wartete seiner eine neue Ueberraschung: der Buchhalter hatte sich mit tief unglücklicher Miene auf seinen Sessel sinken lassen und schien nur mit Mühe die Tränen zurückzuhalten.
    »Was haben Sie denn, lieber Freund?«
    Während der widerlichen Szene in der Frauenwerkstätte hatte Morange kein Wort gesprochen; aber seine Blässe, seine zitternden Hände verrieten den tiefen Anteil, den er daran nahm.
    »Ach, mein Lieber,« sagte er endlich mit schwacher Stimme, »Sie haben keinen Begriff davon, wie diese Geschichten mich aufregen. Mir zittern die Hände und Füße davon.«
    Da erinnerte sich Mathieu der vertraulichen Mitteilung, die Valérie in ihrer Verzweiflung seiner Frau gemacht, und welche diese ihm noch desselben Abends wiedererzählt hatte. Der arme Mann, den die Furcht vor einem zweiten Kinde so zu Boden schmetterte, tat ihm herzlich leid; und obgleich er nicht zu begreifen vermochte, wie man unter einer so frohen und lebensverheißenden Hoffnung so leiden konnte, wollte er ihm Trost zusprechen.
    »Ja, ich weiß, meine Frau hat mir erzählt, was die Ihrige ihr anvertraut hat. Sie haben also keinen Zweifel mehr, es ist gewiß?«
    »Ach, mein Lieber, leider ganz gewiß! Das ist unser Ruin, denn wie kann ich jetzt wagen, den Posten hier aufzugeben, um einen geringer bezahlten in der Nationalkreditbank anzunehmen und dort dem Glück die Hand zu bieten? Wir sind nun für immer ins Elend geworfen, wie meine arme Frau sagt. Sie weint vom Morgen bis zum Abend. Heute früh habe ich sie wieder in Tränen zurückgelassen, und das bricht mir das Herz. Ich hätte mich schließlich dareingefunden, aber sie hat mich ihr zuliebe so ehrgeizig gemacht, und sie hat so großes Vertrauen in mich gesetzt, daß es mir schreckliche Qualen bereitet, ihr nicht all den Luxus und die Freuden bieten zu können, nach denen sie sich sehnt. Und dann unsre kleine Reine. Wie sollen wir ihr nun eine große Mitgift geben und sie gut verheiraten können, dieses liebe, kluge, entzückende Kind, das eines Prinzen würdig wäre? Ich versichere Ihnen, ich verbringe die Nächte schlaflos, und meine Frau wiederholt mir immer Dinge, die mir im Kopf herumgehehen, so daß ich nicht mehr weiß, ob ich lebe.«
    Und der arme weichherzige, zärtliche, willensschwache Mann machte eine verzweifelte Gebärde, welche die ganze Seelenvernichtung ausdrückte, in die der verbohrte Ehrgeiz seiner Frau, ihr leidenschaftliches Hindrängen zum Reichtum ihn gestürzt hatte.
    »Bah, es wird sich alles geben,« sagte Mathieu tröstend, »Sie werden das Kleine schließlich vergöttern.«
    Mit entsetzter Miene rief Morange: »Nein, nein, sagen Sie das nicht! Gott, wenn Valérie Sie hörte, so würde sie glauben, daß Sie ihr Unglück bringen. Sie will nicht zugeben, daß es komme.«
    Und die Stimme dämpfend, als ob ihn jemand hören könnte, setzte er mit einem Schauder hinzu: »Wissen Sie, ich habe manchmal schreckliche Angst. Sie ist imstande, ein Unglück anzurichten in ihrer Verzweiflung.«
    Er hielt inne, er fürchtete, schon

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