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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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zu viel gesagt zu haben. Seit dem Morgen, seit den Tränen und Erörterungen dieser Nacht, die er und seine Frau in dem finsteren Alkoven disputierend verbracht hatten, verfolgte ihn dieser fürchterliche Gedanke. War nicht auch er schon entschlossen?
    »Was wollen Sie damit sagen?« fragte Mathieu.
    »Nichts; Frauenverrücktheiten. – Jawohl, mein lieber Freund, Sie sehen vor sich den unglücklichsten Mann auf dieser Erde. Die Leute, die auf den Straßen Steine klopfen, flößen mir Neid ein.«
    Zwei dicke Tränen rannen über seine Wangen. Ein peinliches Schweigen folgte. Er beruhigte sich ein wenig und begann wieder von Norine zu sprechen, ohne sie zu nennen.
    »Und dieses Mädchen, ich bitte Sie! Auch eine, die es nötig hatte, ein Kind zu bekommen! Es scheint einem wie ein Fluch – gerade die, die keines wollen, kriegen eines. Jetzt ist sie auf die Straße gestoßen, ohne Geld, ohne Brot, ohne Arbeit, ohne jemand, der ihr hilft, und mit einem kleinen Wesen, das zur Welt kommen wird. Ich hätte weinen mögen, wie ich sie vorhin sah, das arme Ding! Und der Chef wirft sie auch noch hinaus. Wahrlich, es gibt keine Gerechtigkeit!«
    Mathieu ward von einem Gedanken erfaßt. »Vielleicht wird der Vater des Kindes ihr schließlich doch zu Hilfe kommen.«
    »Glauben Sie?« versetzte der Buchhalter mit einem traurigen, vielsagenden Lächeln. »Ich will nichts sagen, ich habe mich nicht darein zu mengen. Aber man hat natürlich seine Augen, man kommt oft unwillkürlich auf Dinge, von denen man lieber nichts gewußt hätte. – Alles das ist so häßlich. Der Fehler liegt nur an der Natur, die es schlecht eingerichtet hat: sogleich ein Kind, wegen einer Minute des Genusses, die man schwach genug war, sich nicht versagen zu können. Wahrlich, das macht einem das Leben zur Last.«
    Und mit der Gebärde eines aller Illusionen beraubten Philosophen wandte sich Morange traurig wieder seiner Arbeit zu, während Mathieu endlich in sein Bureau zurücklehrte.
    Einige Stunden später, am Nachmittag, als er sich hier allein befand, in den Entwurf einer neuen Sämaschine vertieft, schrak er auf, als er hinter sich ein leises Husten vernahm. Es war ein Mädchen von etwa zwölf Jahren, die geräuschlos eingetreten sein und die Tür leise hinter sich geschlossen haben mußte, und die nun vielleicht schon lange hier stand, ohne es zu wagen, ihn anzusprechen.
    »Wer bist du? Was willst du?«
    Sie geriet nicht in Verwirrung und antwortete mit einem diskreten Lächeln: »Meine Mutter schickt mich herauf, ich möchte Ihnen sagen, ob Sie wohl so gut sein wollten, auf einen Augenblick hinunterzukommen.«
    »Aber wer bist du?«
    »Ich bin die kleine Cécile.«
    »Cécile Moineaud?«
    »Ja, Monsieur.«
    Mathieu begriff. Es handelte sich offenbar um die unglückliche Geschichte mit Norine.
    »Und wo erwartet mich denn deine Mutter?«
    »Sie erwartet Sie drunten, in einer Straße, dort drüben. Und sie hat gesagt, ich solle Ihnen sagen, wenn Sie nicht kämen, so wäre das ein großes Unglück für alle.«
    Er betrachtete das Kind, wie sie da vor ihm stand, groß und aufgeschossen für ihr Alter, mit farblosen Haaren, die Züge schon verwischt und risigniert wie die ihrer Mutter, bebend in ihrem dünnen Kleidchen und dem Tuch, das sie überm Kopfe trug. Ein tiefes Mitleid überkam ihn; er sagte dem Mädchen, sie solle vorausgehen, und sie glitt in den Korridor hinaus und die Treppen hinab mit der Geschmeidigkeit eines Wiesels, mit all der schlauen Vorsicht, die sie angewendet haben mußte, um hereinzukommen. Am Tore der Fabrik bemerkte er ein andres Mädchen, kaum acht Jahre alt, welche gewartet hatte, und nun nach einem Blick des Einverständnisses vorausging.
    »Wer ist denn das wieder?«
    »Das ist meine kleine Schwester Irma.«
    »Was hat sie am Tor getan? Warum seid ihr nicht zusammen heraufgekommen?«
    »Sie blieb drunten, um zu sehen, ob man uns nicht beobachtet. Wir kennen uns in der Fabrik gut aus, und die Mutter sagt, daß wir nicht dumm sind.«
    Dann lief sie zu Irma hin – die hübsch und blond wie Norine war, aber schwach und kränklich aussehend –, nachdem sie noch gesagt hatte: »Es ist nicht notwendig, daß man uns zusammengehen sieht. Sie brauchen uns nur zu folgen, Monsieur.«
    Er folgte ihnen. Sie gingen zwanzig Meter vor ihm in der unbekümmerten Weise nichtsnutziger Mädchen, die die Schule schwänzen. Es war gleichwohl kein Tag, um im Freien herumzustreichen, denn die Sonne war verborgen, ein eisiger Wind blies durch die

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