Fruchtbarkeit - 1
ihr ein wenig beisteht; denn ich frage Sie, was würde es uns nützen, wenn ich mit dem Stock über sie herfallen wollte? – Und was soll nun aus ihr werden, wo Moineaud sie hinausgejagt hat und droht, sie umzubringen, wenn er sie bei uns findet? Er ist nicht bösartig, Moineaud, aber man kann wirklich nicht von ihm verlangen, daß er vor der Welt eine solche Schande auf sich nimmt. Die Kinder, nicht wahr, die kriegt man, ohne daß man daran denkt, dann wachsen sie heran, und man liebt sie trotz alledem; und mit den Buben, da macht man sich nichts daraus, geh, wohin du willst, tu, was du willst, sobald sie nur einmal aus dem Neste sind; aber bei den Mädchen, da wird es einem zu arg, wenn man sieht, daß sie schlecht werden. Moineaud ist sehr erzürnt, er hat davon gesprochen, alles zusammenzuschlagen, und das ist nur natürlich.«
Mathieu nickte mit dem Kopfe. Es war die herkömmliche Geschichte der vielköpfigen Arbeiterfamilien: der Vater, ein gutmütiger Mensch im Grunde, kümmert sich nicht viel um das übervolle Nest; die Mutter, mit Arbeit überhäuft, kann sich mit den Kleinen nicht befassen; dann schlechte Aufführung, der Zorn der Eltern, wenn das Vergehen zutage kommt; und das Ende von allem die Zerstörung der Familiengemeinsamkeit, die Ueberlieferung eines Stückes sozialen Lebens an den Schmutz und das Verderben.
Ungeduldig darüber, daß die Mission, mit der sie ihre Mutter betraut, so lange nicht zum Ziel kam, weinte Norine lauter und sagte zwischen zwei Schluchzern: »Sage doch Herrn Froment, daß ich dir alles erzählt habe.«
Die Moineaude mußte endlich an den schrecklichen Gegenstand heran. Sie dämpfte ihre Stimme. »Ja, Monsieur, Norine hat mir gesagt, daß Sie der einzige wären, der etwas für uns tun kann, weil Sie sie eines Tages mit dem Vater ihres Kindes gesehen haben und daher in der Lage wären, zu bezeugen, daß sie nicht lügt. Sie begreifen, warum Moineaud nicht in die Sache hineingemengt werden darf. Wir werden ihm nie den Namen sagen; und wenn er ihn je erfahren sollte, so wäre ich die erste, die ihn bitten würde, so zu tun, als ob er nichts wüßte; so viele Jahre ist er jetzt in der Fabrik, und es wäre das Ende von allem, wenn er sie verlassen müßte. Sie sehen also wohl, daß wir keinen Lärm machen wollen. Weder ich noch meine Tochter werden eine Geschichte erzählen, weil wir nichts dabei zu gewinnen hätten. Trotz alledem kann aber Norine nicht auf der Straße bleiben, der Vater ihres Kindes wird nicht so herzlos sein, sie da zu lassen. Und wir wenden uns an Sie, Monsieur, um Sie zu bitten, mit ihm zu sprechen und die Hilfe von ihm zu erbitten, die er gewiß einem verlaufenen Hunde nicht versagen würde, wenn er ihn bei einem solchen Wetter auf der Straße fände.«
Sie sprach mit der zitternden Demut der armen Frau, ihr Elend hatte sie so zu Boden gedrückt, daß sie selbst nicht an ihre Kühnheit glauben konnte, daß sie es wagte, die mächtige Persönlichkeit anzuklagen, von der das Schicksal aller der Ihrigen abhing. Plötzlich bemerkte sie die beiden Kleinen, Irma und Cécile, die mit gespanntem Interesse horchten, und fuhr auf sie los.
»Was macht ihr da, ihr Fratzen? Ich habe euch gesagt, ihr sollt an der Ecke aufpassen. Marsch, fort! Kinder dürfen nicht zuhören, wenn Große miteinander sprechen.«
Die Kinder blieben ruhig auf dem Flecke. Sie unterhielten sich zu gut, sie machten nicht einmal Miene, zu gehorchen, und die Mutter vergaß sie sogleich wieder.
Obgleich sehr gerührt, zögerte Mathieu dennoch. Er wußte nur zu gut, was Beauchêne ihm antworten würde. Er suchte nach Entschuldigungsgründen für eine Weigerung, zu vermitteln.
»Meine liebe Frau, Sie täuschen sich über meinen Einfluß. Ich fürchte so sehr, keinen Erfolg zu erzielen –«
Aber Norine ließ ihn den Satz nicht vollenden. Sie sah, daß sie sich einmengen müsse. Sie weinte nicht mehr, sie wurde allgemach lebhafter.
»Hören Sie, Monsieur, meine Mutter sagt Ihnen nicht alles, was sie sagen sollte. Ich war es nicht, die ihn verfolgt hat, den Herrn, den Sie kennen. Er ist mir nachgelaufen, er hat mir keine Ruhe gelassen, bis er erreicht hatte, was er wollte. Und jetzt stellt er mich da hinaus, als ob er mich nicht einmal kennte! Und doch, wenn ich boshaft wäre, könnte ich ihm große Unannehmlichkeiten verursachen. – Ich schwöre, ehe ich so töricht war, mit ihm zu gehen –«
Sie war im Begriffe, zu lügen und zu sagen, daß sie unberührt gewesen sei, als Beauchêne sie
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