Fruchtbarkeit - 1
alle Zeit überstanden mit dem Kinderhaben. Ich war froh. Aber da ist dieser kleine Balg noch gekommen – mit vierzig Jahren, ob das wohl recht ist! Der liebe Gott muß uns verlassen haben, meinen armen Mann und mich.«
Eine Erinnerung erheiterte Beauchêne.
»Wissen Sie, was er sagt, Ihr Mann? Er sagt, nicht er ist es, der die Kinder kriegt, sondern Sie.« »Ach ja, er hat gut scherzen. Ihn kostet es nicht viel, das Kinderkriegen! Aber Sie werden mir glauben, daß ich es lieber anders möchte. Die erste Zeit wurde mir ganz angst und bang. Aber was wollen Sie? Man muß sich wohl fügen, und ich gab nach, denn ich wollte natürlich nicht, daß mein Mann zu andern Weibern gehe. Dann ist er auch kein schlechter Mann, er arbeitet, er trinkt nicht zuviel, und wenn ein Mann nur dieses Vergnügen hat, so wäre es doch wirklich nicht schön von seiner Frau, nicht wahr, wenn sie ihm das Leben sauer machte.«
Doktor Boutan wendete sich jetzt in seiner ruhigen Weise an die Frau.
»Sie wissen also nicht, daß man, auch wenn man sich vergnügt, vorsichtig sein kann?«
»Ach, mein Gott, Monsieur, das ist nicht immer so leicht. Wenn ein Mann ein bißchen lustig nach Hause kommt, nachdem er mit den Kameraden einen Liter getrunken hat, weiß er nicht so genau, was er tut. Und dann sagt Moineaud, daß ihm das die Freude verdirbt. Und ich, ich gebe nach.«
Nunmehr fuhr der Doktor fort, sie auszufragen, wobei er es vermied, Beauchêne anzusehen. Aber in seinen kleinen Augen blitzte der Spott, und es war offenbar, daß er sich das Vergnügen machte, sich die Beweisführung des Fabrikanten gegen die zu große Fruchtbarkeit anzueignen. Er stellte sich, als ob er sich erzürne, warf der Moineaude ihre zehn Kinder vor, zum Unglück Geborene, Fleisch für die Kanonen oder die Prostitution, machte ihr klar, daß, wenn sie im Elend lebe, dies ihre Schuld sei; denn wenn man sein Glück machen wolle, so hänge man sich nicht einen Pack Kinder auf. Und die arme Frau erwiderte traurig, daß er sehr recht habe; aber sie könnten nicht einmal daran denken, ihr Glück zu machen, Moineaud wisse gewiß, daß er nie Minister werden würde, und so wäre es nun gehauen wie gestochen, ob sie mehr oder weniger Kinder auf dem Halse hätten; es helfe sogar ein wenig, wenn man mehr hätte, wenn die Kinder einmal das Alter erreicht hätten, wo sie arbeiten können.
Beauchêne war verstummt und schritt langsam auf und ab. Eine leichte Kälte, ein unbehagliches Gefühl verbreitete sich, und Constance beeilte sich, wieder zu fragen:
»Nun, meine liebe Frau, was kann ich für Sie tun?« »Ach Gott, Madame, es wird mir so schwer. Es ist etwas, worum Moineaud nicht gewagt hat, Monsieur Beauchêne zu bitten. Ich selbst habe gehofft. Sie allein zu treffen und Sie zu bitten, für uns ein gutes Wort einzulegen. Nämlich, wir wären Ihnen sehr, sehr dankbar, wenn man unsern kleinen Victor in die Fabrik nehmen wollte.«
»Er ist aber erst fünfzehn Jahre alt,« sagte Beauchêne. »Warten Sie, bis er sechzehn ist, die Vorschrift ist streng.«
»Ich weiß, ich weiß. Aber man könnte vielleicht ein kleines bißchen lügen. Es wäre uns eine so große Hilfe!«
»Nein, es ist unmöglich.«
Große Tränen stiegen in den Augen der Moineaude auf. Und Mathieu, der mit leidenschaftlichem Anteil zugehört hatte, war tief erregt. Ah, dieses elende Arbeiterfleisch, das sich anbietet, ohne nur abzuwarten, daß es reif für die Anstrengung sei! Diese Proletarier, welche zur Lüge ihre Zuflucht nehmen wollen, welche der Hunger antreibt, sich gegen das Gesetz zu stellen, das sie beschützt!
Nachdem die Moineaude trostlos fortgegangen war, sprach der Doktor weiter über die Frauen und Kinderarbeit. Von der ersten Entbindung angefangen, kann eine Frau nicht mehr in der Fabrik bleiben: die Schwangerschaft, das Stillen des Kindes fesseln sie an das Haus, wenn sie sich und das Kind nicht schweren Krankheiten aussetzen will. Und was die Kinder betrifft, so werden sie durch zu frühe Arbeit anämisch, häufig selbst krüppelhaft, abgesehen davon, daß ihre Ausnutzung dazu dient, die Löhne der Erwachsenen zu drücken. Dann kam er wieder auf die Fruchtbarkeit des Elends, auf die Vermehrung des Proletariats, welches nichts zu verlieren, nichts zu erhoffen hat. Ist es nicht die entsetzlichste Fortpflanzung, jene, welche die Verhungernden und sich verzweifelt Empörenden in die Unendlichkeit vermehrt?
»Ich verstehe Sie wohl,« sagte endlich, ohne sich zu erzürnen, Beauchêne. »Sie
Weitere Kostenlose Bücher