Fruchtbarkeit - 1
der Gedanke kam, die Gelegenheit zu ergreifen und den Knoten zu durchhauen, indem er alles sagte. Er führte diesen Entschluß tapfer durch, erzählte, wie die beiden Mädchen ihn geholt hätten, und welches Gespräch er eben mit Norine und ihrer Mutter gehabt habe. »Ich bitte Sie, mein lieber Alexandre,« schloß er, »es mir nicht übel zu nehmen, daß ich mich in diese Sache menge. Die Umstände erscheinen mir ernst genug, als daß ich mich nicht über die Unannehmlichkeit hinwegsetzen sollte, Sie vielleicht ärgern zu müssen. Bei alledem hätte ich Ihnen vielleicht nichts gesagt, wenn Sie mir nicht gewisse vertrauliche Mitteilungen gemacht hätten.«
Beauchêne hatte anfangs betreten zugehört, dann wurde er von einem dumpfen Zorn erfaßt, der ihm in einer roten Blutwelle ins Gesicht stieg. Er erstickte, er ballte die Fäuste, wie um alles zu zerschlagen. Dann tat er, als bemächtige sich seiner unwiderstehliche Heiterkeit, und brach in ein geringschätziges Lachen aus, das einen falschen Klang hatte.
»Aber, mein lieber Freund, das ist ja eine einfache Erpressung. Wozu geben Sie sich da her? Ich habe Sie wahrhaftig nicht für so naiv gehalten, man läßt Sie da eine hübsche Rolle spielen! Also die Mutter und auch selbst die kleinen Schwestern nehmen sich der Sache an? Nun ist es komplett, nun wird die Geschichte komisch! Und man hat Sie wohl mit einem Ultimatum betraut? Ich muß das Kind anerkennen, oder man wird mir Verlegenheiten bereiten, wie? Nein, das ist wirklich monumental!«
Er schritt in dem Raume auf und ab, schreiend und seine Worte mit kurzausgestoßenem Lachen begleitend; die Sache war ihm ungemein peinlich, und besonders ärgerte er sich wütend darüber, daß ein solch lächerlicher Unfall ihm, dem so Erfahrenen, sollte zustoßen können. Er blieb plötzlich stehen und faßte Mathieu an den Aufschlägen seines Rockes.
»Hören Sie einmal, so was kann man doch nicht ernst nehmen! Sagen Sie mir doch nur, ob Sie, der Sie nicht dumm sind, eine solche Vaterschaft annehmen würden? Ein Mädchen, das sich voriges Jahr einem Kellner ergeben hat! Ein Mädchen, das seit der Zeit wohl die schmutzigsten Sachen getrieben hat. Ich habe sie ja nur aufzulesen gebraucht. Man findet die Sorte zu Dutzenden auf der Straße.«
Und da Mathieu ihn unterbrechen wollte, um dem zu widersprechen, um seiner Ueberzeugung Ausdruck zu geben, daß das unglückselige Mädchen nicht lüge, schloß er ihm heftig den Mund.
»Nein, nein, seien Sie still, hören Sie mir zu. Ich bin meiner Sache sicher, verstehen Sie wohl, vollkommen sicher. Und ich verstehe mich darauf, mein Lieber. Das müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich, der ich es zuwege bringe, einen solchen Unfall bei meiner Frau zu verhüten, bei einer Geliebten hineinfiele wie ein Student, der den Rummel nicht kennt. Ich schwöre bei meinem Kopfe, dieses Kleine kann sich einen andern Vater suchen!«
Gleichwohl schien seine Ueberzeugung nicht so felsenfest zu stehen, denn er ließ sich in eine Diskussion der Daten ein. Er verwickelte sich, widersprach sich, sagte offenkundige Lügen. Von einem Rausch der Begierde erfaßt, hatte er sie drei oder vier Monate hindurch noch oft gesehen, bis zu dem Tage, da er, angesichts ihres veränderten Zustandes, einen Widerwillen gegen sie faßte, sie entstellt und unbequem fand, vielleicht auch sich beeilen wollte, mit ihr zu brechen, um sich jeder Verantwortlichkeit zu entziehen. Jetzt setzte er sie herab, sprach von einer flüchtigen Laune, meinte, ihr einziger Reiz habe in ihrer Frische gelegen, tat, als könne er nicht begreifen, wie sein Geschmack sich so habe verirren können.
Und dann kam der Chef, der eitle und despotische Mann in dem gewissenlosen Ausrufe zum Vorschein: »Sich mit einer seiner Arbeiterinnen abgeben, das ginge noch an, obschon es dumm genug ist; aber ein Kind mit ihr zu haben – ah, nein, das wäre zu albern, man würde mir lange Nasen drehen, ich wäre verloren!«
Gleichwohl hatte er die heftigen Beteuerungen schon aufgegeben; und als Mathieu schwieg und ruhig wartete, daß seine erste Erregung sich lege, um neuerdings für die arme Norine zu plaidieren, geriet er in Unruhe; dieses Schweigen bedrückte ihn, er ließ sich atemlos in einen Sessel fallen und fuhr fort:
»Und dann, nehmen wir auch an, daß es so sei, ich will für einen Augenblick zugeben, daß ich mich vergessen hätte. Es ist ja wahr, wenn man gut diniert hat, so weiß man manchmal nicht genau, was man tut. Aber selbst diesen
Weitere Kostenlose Bücher