Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
schlechtgemaltes gelbes Schild in dicken Lettern bloß den Namen der Madame Rouche. Als er klingelte, führte ihn ein Dienstmädchen mit schmutziger Schürze in einen kleinen Salon von dem Charakter eines Hotelzimmers, der von Küchenduft erfüllt war; und alsbald erschien eine Dame von fünf bis sechsunddreißig Jahren, schwarz gekleidet, von hagerer Gestalt, mit bleifarbenem Teint, dünnen, farblosen Haaren und einer großen Nase, die das ganze Gesicht beherrschte. Mit ihrer langsamen und leisen Sprechweise, ihren vorsichtig katzenhaften Bewegungen, ihrem stereotypen, säuerlichsüßen Lächeln machte sie auf ihn den Eindruck einer schrecklichen Frau, deren Geschäft das Ersticken ohne Gewaltanwendung war, der geräuschlose Daumendruck, der das ungeborene Leben der Vernichtung anheimgibt. Sie sagte ihm übrigens, daß sie Pensionärinnen erst acht bis zehn Tage vor der Niederkunft annehme, da sie nicht über die nötigen Einrichtungen verfüge; dies machte weitere Erkundigungen überflüssig, und Mathieu eilte fort, von Ekel ergriffen, das Herz von Angst zusammengeschnürt.
    In der Rue Miromesnil bot das kleine dreistöckige Haus, welches Madame Bourdieu innehatte, wenigstens einen freundlichen Anblick mit seiner hellen Fassade und den weißen Musselinvorhängen an den Fenstern. Ein hübsches Schild kündigte eine Hebamme erster Klasse an, eine Entbindungsanstalt mit Pension für Damen. Der Laden des Erdgeschosses war von einem Kräuterhändler eingenommen, dessen Warenpakete einen angenehmen Duft verbreiteten. Daneben war das Haustor stets geschlossen, wie das eines Privathauses; der sauber gehaltene Hausflur mündete in einen ziemlich geräumigen Hof, der von einer hohen grauen Mauer abgeschlossen war, hinter welcher die Kaserne der Nachbarstraße sich befand. Dies war sogar recht lustig; und es wurde als Annehmlichkeit hingestellt, daß man die Trommeln und Trompeten gedämpft durch die dicke Mauer höre, ohne davon belästigt zu werden. Im ersten Stock befanden sich längs des Ganges der Salon und das Arbeitszimmer der Madame Bourdieu, ihr Schlafzimmer, das gemeinschaftliche Eßzimmer und die Küche; im zweiten und dritten Stock befanden sich sodann die Zimmer der Pensionärinnen, ein Dutzend im ganzen, einige für drei oder vier Betten, andre für eines, diese natürlich teurer. Und Madame Bourdieu, zurzeit zweiunddreißig Jahre alt, herrschte hier, eine hübsche, brünette Frau, etwas kurz und dick, aber mit einem großen und heiteren Gesichte von sehr weißer Hautfarbe, welches ihr in bemerkenswerter Weise mit zu ihrem Erfolge geholfen hatte, und zu dem Rufe der Anständigkeit, den sie und ihr Hans genoß. Man sagte allerdings, daß man nicht allzu genau untersuchen dürfe; aber es war eben ihr Beruf als solcher, welcher derlei böse Nachrede herausforderte. Nie noch waren wirklich häßliche Dinge über sie vernommen worden. Sie war vor kurzem von der Verwaltung der öffentlichen Armenpflege anerkannt worden, welche ihr Frauen, die ihrer Niederkunft entgegensahen, in Pflege gab, wenn es in den Spitälern an Platz mangelte. Und dies schien ein entscheidendes Zeugnis für die Ehrbarkeit des Hauses zu sein, so daß dessen Kunden, wie man sagte, sich nun aus den besten und anständigsten Kreisen rekrutierten.
    Mathieu war genötigt, mit Madame Bourdieu zu unterhandeln, denn sie verlangte zuerst zweihundert Franken monatlich von ihm; und da er dies als zu viel erklärte, war sie im Begriffe, sich zu entrüsten und erhob die Stimme, obgleich sie im Grunde eine gutmütige Frau war.
    »Aber, werter Herr, wie soll ich denn da meine Rechnung finden? Keine von uns wird reich. Wir müssen erst zwei Jahre in einer Gebäranstalt verbringen, um das Diplom zu bekommen, und das kostet uns tausend Franken jährlich. Dann kommen die Kosten der Einrichtung, alle die Entbehrungen, die man durchmachen muß, ehe man sich einen Kundenkreis schafft, wodurch es begreiflich wird, daß so viele von uns auf Abwege geraten. Und selbst wenn man, Gott weiß unter welchen Anstrengungen, es dahin gebracht hat, ein Haus wie das meinige zu schaffen, so hören die Unannehmlichkeiten noch nicht auf: keine Stunde Ruhe, eine unausgesetzte Verantwortlichkeit, das Bewußtsein, welch schwere Folgen die kleinste Unachtsamkeit, die geringste Vergeßlichkeit haben kann. Ganz zu schweigen von der Überwachung durch die Polizei, den unvorhergesehenen Besuchen der Inspektoren, einer Menge von Vorsichtsmaßregeln, zu denen man verpflichtet ist, wovon Sie

Weitere Kostenlose Bücher