Fruchtbarkeit - 1
Fall gesetzt, genügt das, damit diese Dirne mir ihr Kind aufhalse? Ein Kind, ja das geht sie allein an, um so schlimmer für sie, wenn sie eins kriegt, das gehört zum Risiko ihres Berufes! Wer steht mir dafür gut, daß sie nicht damals mit zwei oder drei Männern verkehrt hat? Finden Sie sich nun da zurecht! Ganz gewiß weiß sie selber nicht, von wem es ist, dieses hübsche Angebinde. Aber da ich guter Kerl bei der Hand bin, und da sie einen Vorwand hat, um mich in die Sache hineinzubringen, so legt sie sich ihre Geschichte zurecht. Ein reicher Mann, ein Chef, der den Skandal fürchten muß, da kann man ein Vermögen herausschlagen. Erpressung, mein Freund, Erpressung und sonst nichts!«
Tiefes Schweigen folgte. Mathieu hatte seinerseits angefangen, in dem Bureau auf und ab zu gehen, das von einem großen Kachelofen warm geheizt wurde. Er ließ noch einige Zeit verstreichen, ehe er sprach, während durch die bebenden Dielen das nie aussetzende Dröhnen der arbeitenden Maschinen heraufdrang. Dann sagte er, was er zu sagen hatte, in einfachster Weise: seine Ueberzeugung, daß Norine nicht lüge, die Details, die sie ihm gegeben hatte, die Tränen der beiden armen Frauen, die schreckliche Härte, die es wäre, die Unglückliche auf der Straße zu lassen. Angenommen selbst, daß das Kind nicht von ihm sei, so sei sie doch deshalb nicht minder seine Geliebte gewesen, und er könne es nicht verweigern, ihr beizustehen, nun, da sie so entsetzlich verlassen sei.
»Sie machen sich schlechter, als Sie sind. Ich bin überzeugt, daß Sie nachdenken und das Erforderliche tun werden. Ein Ehrenmann wie Sie stellt sich nicht kleinlich in einer solchen Sache!«
»Aber wenn ich etwas tue,« rief Beauchêne besiegt und geängstigt, »so wird man es überall herumtragen, daß das Kind von mir ist. Dann wird sie erst recht leichtes Spiel haben, es mir aufzuhalsen.«
Abermals trat Schweigen ein, man hörte das scharfe Zischen eines Dampfrohres im Hofe. Dann fuhr er zögernd, unbehaglich fort: »Droht sie, Lärm zu schlagen? Ich fürchtete schon einen Augenblick, daß sie etwa zu meiner Frau gehen könnte. Das wäre furchtbar unangenehm.«
Mathieu unterdrückte ein Lächeln, er fühlte, daß er gewonnenes Spiel habe.
»Ja, man kann nie wissen. Sie ist gewiß nicht bösartig. Aber wenn man eine Frau zum Aeußersten treibt, ist sie jeder Tollheit fähig. Und dann macht sie ja gar keine Ansprüche, sie hat mir nicht einmal gesagt, was sie verlangt, außer daß sie nicht bei dieser Jahreszeit auf der Straße bleiben kann, da ihr Vater sie hinausgejagt hat. Wenn Sie meinen Rat wollen, so glaube ich, daß man sie morgen bei einer Hebamme in Pension geben sollte. Sie werden vier oder fünf Monate zu zahlen haben, also rund eine Fünfhundertfrankennote. Damit ist die Sache bestens erledigt.« Beauchêne erhob sich mit einer raschen Bewegung und ging ans Fenster. Dann kehrte er zurück: »Sie wissen, daß ich kein schlechtes Herz habe, nicht wahr? und es kommt mir auch wahrlich nicht auf fünfhundert Franken auf oder ab an. Wenn ich in Zorn geraten bin, so ist es, weil der bloße Gedanke, ausgebeutet zu werden, mich wütend macht. Aber im Augenblicke, da es sich um ein Werk der Barmherzigkeit handelt, du lieber Gott, meinetwegen! Unter einer Bedingung jedoch: ich kümmere mich um gar nichts, ich will nicht einmal wissen, was Sie tun werden. Suchen Sie eine Hebamme, mieten Sie das Fräulein ein, wo Sie wollen, ich werde einfach die Rechnung bezahlen. Guten Morgen, guten Abend!«
Er stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, daß er diese böse Sache los war, die ihm unangenehmer war, als er gestehen mochte. Und er wurde sogleich wieder der überlegene, der schöne und sieghafte Mann, der gewohnt war, alle Schlachten des Lebens zu gewinnen. Er scherzte sogar: diese Norine, er trage ihr im Grunde nichts nach, denn er habe nie im Leben eine Haut wie die ihrige gesehen, ein wahrer Sammet, von rosiger Frische; und sie sei am meisten bestraft durch dieses unglückselige Kind, denn es habe sie bereits bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Sodann gab er einen Beweis seiner vollkommenen Geistesfreiheit, indem er die Maschine zu besprechen anfing, wegen deren er gekommen war, und zeigte für die Interessen seiner Unternehmung außerordentlichen Scharfblick und das durchdringendste Verständnis.
Er hatte bereits die Tür hinter sich geschlossen, als er sie nochmals öffnete und wiederholte: »Betonen Sie besonders meine strikte Bedingung! von
Weitere Kostenlose Bücher