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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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dem Kinde will ich absolut nichts wissen, auch nicht einmal, ob es gekommen ist. Man soll damit machen, was man will, aber mir nie wieder davon sprechen.«
    An diesem Abend gab es bei den Beauchêne eine schreckliche Aufregung. Der kleine Maurice stürzte, als sie sich zu Tische begeben wollten, ohnmächtig zu Boden. Er blieb nahezu eine Viertelstunde besinnungslos; und die bestürzten Eltern schrien, haderten miteinander, klagten sich gegenseitig an, das Kind diesen Morgen bei so strenger Kälte zum Ausgehen gezwungen zu haben; offenbar war es dieser törichte Spaziergang, der ihm eine Erkältung zugezogen hatte, – sie sagten es wenigstens, um ihre Seelenangst zu beruhigen. Constance, als sie ihr regungsloses Kind in den Armen hielt, sah ihn bereits tot. Zum ersten Male überlief sie der furchtbare Schauder, sie sagte sich, daß er sterben könnte. Die Mutter in ihr fühlte ihr Herz zerrissen, empfand einen solchen wahnsinnigen Schmerz, daß ihre heiße Mutterliebe ihr fast eine Offenbarung war. Aber die ehrgeizige Frau, die, welche das Königtum für diesen Sohn erträumte, in ihm den einzigen Erben, den künftigen Herrn eines gewaltigen Vermögens sah, litt ebenfalls entsetzlich. Wenn sie ihn nun verlöre, würde sie also kein Kind mehr haben? Und warum hatte sie nicht noch eins? Was war das für ein törichter Eigensinn, mit allen Mitteln zu verhindern, daß sie noch eins bekomme!
    Dieses Bedauern zuckte sie wie ein Blitzstrahl, und sie fühlte sein unheilbares Brennen in ihrem tiefsten Innern. Aber Maurice war wieder zu sich gekommen, er aß sogar mit ziemlichem Appetit. Beauchêne hatte sofort wieder angefangen die Achseln zu zucken und spottete über die unvernünftige Angst der Frauen. Nach wenigen Tagen dachte auch Constance nicht mehr an den Zwischenfall.
     
     

4
    Als Mathieu am nächsten Morgen daran ging, die delikate Aufgabe zu erfüllen, die er auf sich genommen, erinnerte er sich der beiden Hebammen, deren Namen er neulich bei den Séguin aus dem Munde der Zofe Céleste vernommen hatte. Er ließ vorerst Madame Rouche beiseite, von der das Mädchen so eigentümlich gesprochen hatte, indem sie sagte, daß es bei ihr »sehr schnell gehe«, und daß sie sich der Sache »mit großem Eifer annehme«. Aber er wollte sich über Madame Bourdieu erkundigen, die Hebamme, die in der Rue Miromesnil ein ganzes kleines Haus bewohnte, wo sie Pensionärinnen annahm. Und er glaubte sich zu erinnern, daß diese seinerzeit, damals am Anfange ihrer Tätigkeit, Madame Morange von ihrer Tochter Reine entbunden hatte, was ihm den Gedanken gab, vorerst einmal bei Morange anzufragen.
    Dieser, der in seinem Bureau bereits arbeitete, schien bei der ersten Frage in Verwirrung zu geraten. »Ja, eine Freundin hatte meiner Frau Madame Bourdieu empfohlen. … Aber warum fragen Sie mich das?«
    Er sah ihn angstvoll an. als ob der Name dieser Madame Bourdieu wie ein Blitzstrahl durch seine Gedanken fahre, als wäre er bei etwas Verbotenem auf frischer Tat ertappt worden. Diese Erwähnung gab vielleicht irgendeinem finsteren Gespenst Körper, das ihn verfolgte, rührte vielleicht alle die qualvollen Für und Wider auf, zwischen denen er bisher noch nicht vermocht hatte, eine Entscheidung zu treffen. Er war blaß geworden, und seine Lippen bebten.
    Dann, als Mathieu ihm gesagt hatte, daß es sich darum handle. Norine unterzubringen, entschlüpfte ihm ein unwillkürliches Geständnis. »Gerade heute früh hat meine Frau von Madame Bourdieu gesprochen … Ja, ich weiß nicht, wie sie darauf kam. Was eine Auskunft betrifft, es ist so lange her, wissen Sie, daß wir Genaues nicht mehr sagen können. Aber es hat den Anschein, daß sie sehr erfolgreich gewesen ist, und daß sie heute einem sehr hübschen Hause vorsteht. Ueberzeugen Sie sich selbst, Sie werden dort ohne Zweifel finden, was Sie suchen.«
    Mathieu folgte diesem Rat. Da er sich indessen erinnerte, gehört zu haben, daß die Unterkunft bei Madame Bourdieu teuer sei, änderte er seinen Entschluß und begab sich vorerst nach der Rue de Rocher, um sich durch eignen Augenschein über Madame Rouche zu unterrichten. Schon der Anblick des Haufes stieß ihn ab: ein schwarzes Haus des alten Paris, an der Stelle gelegen, wo die Straße steil abfällt; durch den dunkeln, übelriechenden Torweg kam man in einen engen Hof, auf welchen die Fenster der wenigen, armseligen Zimmer sahen, die die Hebamme bewohnte. Das roch nach der Kloake und dem Verbrechen. Oberhalb der Einfahrt trug ein

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