Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
Eßzimmers, eines großen Raumes, dessen Mitte ein langer Tisch einnahm, und in welchen aus der benachbarten Küche der Geruch eines schlecht gehaltenen Ausgusses herüberkam. Im Wartezimmer gegenüber, das mit Mahagoni und verschossenen Ripsmöbeln eingerichtet war, fand er zwei Frauen im Gespräch, die ihm sagten, daß Madame Bourdieu in Anspruch genommen sei. Er setzte sich sodann in einen Fauteuil und zog eine große Zeitung aus der Tasche, um zu lesen. Bald jedoch wurde er auf das Gespräch der beiden Frauen aufmerksam und hörte mit Interesse zu. Die eine war offenbar eine der Pensionärinnen des Hauses und befand sich im letzten Stadium einer schmerzhaften Schwangerschaft, die sie zugrunde gerichtet und entkräftet, ihr Gesicht entstellt hatte. Und die andre, die ebenfalls vor der Entbindung stand, hatte sich, wie er dem Gespräche entnahm, soeben mit der Hebamme verständigt, und wollte morgen eintreten. Sie befragte die erste, um zu erfahren, ob man sich hier wohl befinde, wie das Essen und die Wartung sei.
    »Oh, Sie werden sich hier nicht schlecht befinden, besonders da Sie etwas Geld haben,« sagte langsam die arme leidende Frau. »Mich hat die Armenverwaltung hierhergebracht, und ich würde mich hier gewiß hundertmal besser befinden als bei mir zu Hause, wenn ich nicht so von Unruhe wegen meiner Kinder gequält wäre, die ich habe verlassen müssen. Ich habe Ihnen schon erzählt, daß ich drei habe, und Gott weiß, wie es denen ergeht, denn mein Mann ist nicht sehr brav. Jedesmal, wenn ich in die Wochen komme, ist es dasselbe: er wird nachlässig in der Arbeit, er trinkt, er läuft Weibern nach, so daß ich nicht einmal sicher bin, ihn wiederzufinden, wenn ich nach Hause komme. Es ist gerade so, als ob meine Kinder auf der Straße wären. Sie können sich also denken, wie ich mich in Ungeduld verzehre, wenn ich hier alles habe, was ich brauche, gutes Essen, ein warmes Zimmer, während meine armen Würmer dort vielleicht weder Brot noch Feuer haben. … Wie, es lohnt sich wohl, wieder eines zu haben, damit es unser aller Unglück noch vergrößert!«
    »Freilich, freilich,« sagte die andre, die kaum zugehört hatte, nur mit sich selbst beschäftigt. »Mein Mann ist Angestellter, und wenn ich hierherkomme, so ist es nur, weil unsre Wohnung so klein und eng ist, daß uns das zu Hause zu viel Umstände machen würde. Ich habe übrigens nur noch ein Kind, ein Mädchen von zwei Jahren, das wir zu einer Cousine in Pflege gegeben haben. Wir werden sie dann zurücknehmen müssen, um das Neugeborene an ihrer Statt dorthin zu bringen. Wieviel Geld man ausgeben muß, mein Gott!« Sie wurden durch den Eintritt einer schwarzgekleideten, verschleierten Dame unterbrochen, welche von dem Dienstmädchen, das sie einführte, gebeten wurde, hier zu warten. Mathieu war im Begriff, sich zu erheben, als er, bei einer Wendung, im Spiegel Madame Morange erkannte. Nach einem kurzen Zögern fühlte er sich durch diese schwarze Toilette, diesen dichten Schleier bewogen, sich wieder in seinen Fauteuil zurückzulehnen, als ob er in die Zeitung vertieft wäre. Sie sah ihn offenbar nicht, und er beobachtete verstohlenen Blickes jede ihrer Bewegungen durch den Spiegel.
    »Was mich bewogen hat, hierher zu kommen, obgleich es hier teuer ist,« fuhr die Frau des Angestellten fort, »das ist, daß ich mir geschworen hatte, mich nie mehr in die Hände der Hebamme zu begeben, die mich von meinem ersten Kinde entbunden hat. Ich hatte genug von ihr, von ihrem Schmutz und ihrer Abscheulichkeit gesehen.«
    »Wer ist denn das?« fragte die andre.
    »Oh, ein scheußliches Weib, das ins Zuchthaus gehört! Sie können sich nicht vorstellen, was das für eine elende Höhle ist, ein Haus, feucht wie ein Brunnen, schmutzige Zimmer, ekelhafte Betten, und dieses Essen, und diese Wartung! Außerdem gibt es keine Mördergrube, wo mehr Verbrechen begangen worden wären. Es ist unbegreiflich, daß die Polizei da nicht einschreitet. Ich habe mir von Mädchen, die häufige Gäste des Hauses waren, erzählen lassen, daß man, wenn man zu dieser Frau gehe, sicher sein könne, ein totes Kind zur Welt zu bringen. Die Totgeburt, das ist die Spezialität des Hauses. Sie hat dort ihren festen Preis. Ich weiß bestimmt, daß während meiner Anwesenheit dort drei Frauen zu ihr gekommen sind, die sie mit einem Instrument entbunden hat.«
    Mathieu sah, daß Valérie, die unbeweglich, ohne sich zu rühren, dastand, mit leidenschaftlichem Interesse zuhörte. Sie wendete

Weitere Kostenlose Bücher