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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Norine, nachdem sie mit einer hübschen, schamhaften Bewegung die Decke hinaufgerückt hatte, die beim Abschiednehmen herabgeglitten war, ihre Erzählungen wieder auf.
    »Was das Abenteuer Mademoiselle Rosinens betrifft, von dem ich Ihnen gesagt habe, und das mir Victoire erzählt hat, so ist es wirklich nicht schön. Denken Sie sich, sie ist die Tochter eines sehr reichen Juweliers. Natürlich wissen wir seinen Namen nicht, noch selbst, in welchem Viertel er sein Geschäft hat. Sie ist eben achtzehn geworden, sie hat einen Bruder von fünfzehn Jahren, und der Vater ist ein Mann von vierundvierzig Jahren. Ich sage Ihnen die Alter, Sie werden gleich sehen, warum. Da verliert also der Juwelier seine Frau, und Sie erraten wohl nicht, welchen Weg er einschlug, um sie zu ersetzen! Zwei Monate nach der Beerdigung geht er eines schönen Abends ruhig ins Zimmer seiner Tochter und entehrt sie. Das ist stark, was? Bei den armen Leuten ist das nichts Seltenes, und ich kenne in Grenelle mehr als eine, der es ebenso gegangen ist. Aber bei Bürgerlichen, bei Leuten, die Geld genug haben, um sich alle Weiber zu bezahlen, die sie wollen – was sagen Sie dazu? Und was mich besonders empört, das ist nicht, daß die Väter das verlangen, sondern daß die Töchter es gewähren. – Nun ist freilich Mademoiselle Rosine so sanft und liebenswürdig, daß sie wahrscheinlich ihren Vater nicht kränken wollte. Gleichviel, nun haben sie beide ihr Teil. Man hat sie hier wie in ein Gefängnis gesteckt, niemand kommt zu ihr; und Sie können sich wohl vorstellen, ob Befehl gegeben wurde, das Kind verschwinden zu lassen. Es würde eine hübsche Figur in der Welt machen, dieses Produkt!«
    Ein lebhaftes Gespräch, das an der Tür hörbar wurde, unterbrach sie. Sie legte einen Finger an die Lippen, denn sie erkannte die Stimme Mademoiselle Rosinens, die Amy begleitete. »Wollen Sie sie sehen?« fragte sie leise.
    Ehe Mathieu noch antworten konnte, rief sie sie. Mathieu, den die Geschichte zur Starrheit entsetzt hatte, sah mit Ueberraschung ein entzückendes Kind eintreten, eine Brünette von seltener jungfräulicher Schönheit, mit schwarzem, gescheiteltem Haar und blauen Augen voll unbefangener Reinheit. In ihrem Blicke lag eine erstaunte Unschuld, eine unendlich holde Keuschheit. Sie schien noch nichts von ihrem Zustande zu wissen, die sich bereits im siebenten Monate der Schwangerschaft befand, ungefähr so wie Norine. Welch ein Jammer, großer Gott! und welch entsetzliche Mutterschaft, mit dem Fluch des Skandals und des Verbrechens belastet, die die Liebe besudelte, das Leben entweihte, und dieses unselige Kind der Blutschande zur Welt bringen würde, das man sozial vernichten mußte wie ein schädliches Tier!
    Norine drang in sie, sich neben sie zu setzen. »Bitte, bleiben Sie doch ein wenig. Dieser Herr ist ein Verwandter, der mich besucht. Sie wissen, welche Freude Sie mir machen.«
    Mathieu war erstaunt über die Vertraulichkeit, die sich so rasch zwischen diesen Frauen herausgebildet hatte, welche aus allen Klassen, aus allen Weltgegenden hierhergekommen waren. Selbst zwischen Rosine und Victoire, zwischen Herrin und Magd, bestand eine sichtbare Intimität, entstanden aus ihrem gleichen Schicksale, demselben entstellten Leibe, demselben unter Leiden sprossenden Leben. Die Unterschiede verschwanden in diesem Hause, hier waren sie alle nur Frauen, die meisten ohne Namen, die aus dem Unbekannten hierher zusammengeweht worden, jetzt nur mehr schmerzensvolle Geschöpfe, einander gleich durch das Unglück und das Vergehen. Von den dreien, die hier gegenwärtig waren, behandelten zwei die dritte ohne Zweifel mit der respektvollen Zärtlichkeit von gesellschaftlich Untergeordneten; gleichwohl fühlte sich diese, die eine gute Erziehung genossen hatte, die Klavier spielte, zu ihnen wie zu Freundinnen hingezogen, plauderte mit ihnen stundenlang, vertraute ihnen selbst ihre kleinen Geheimnisse an.
    So kam es auch, daß die drei, nachdem sie Mathieu vergessen hatten, alsbald dabei waren, die häuslichen Vorgänge miteinander zu besprechen.
    »Sie wissen ja,« sagte Victoire, »daß Madame Charlotte, die feine Dame, die das nächste Zimmer bewohnt, diese Nacht entbunden worden ist.«
    »Man hätte taub sein müssen, um es nicht zu hören,« versetzte Norine.
    »Ich habe nichts gehört,« sagte Mademoiselle Rosine mit ihrer unschuldigen Miene.
    »Das kommt daher, daß unser Zimmer zwischen Ihrem und dem der Dame liegt,« erklärte Victoire. »Aber das

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