Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
sind nicht alle Exemplare gleich.“
„Lass sie blühen“, erwiderte Arrow ohne auf die Worte ihres Bruders einzugehen.
Mit verschränkten Armen entgegnete der Elf herablassend: „Und wie soll ich das deiner Meinung nach anstellen?“
„Na die anderen Blumen hast du an meinem Geburtstag doch auch blühen lassen“, gab Arrow zurück.
Dewayne musterte Arrow, als hätte sie den Verstand verloren. Anschließend machte er ausladende Gesten nach allen Seiten und entgegnete spöttisch: „Jetzt blüht hier aber außer deinen weißen Vergissmeinnicht nichts. Das wäre vielleicht anders, wenn Anne ihre Pflanzen in den letzten Tagen nicht so vernachlässigt hätte. Doch selbst dann würdest du hier nur Treibhausblumen vorfinden. Und da deine Vergissmeinnicht eindeutig nicht dazu zählen, grenzen die auch schon an ein Wunder.“
„Dann lass von mir aus auch alle anderen Blumen blühen. Völlig egal – Hauptsache die blauen Vergissmeinnicht tragen auch endlich ihre Blüten.“
Wie man es normalerweise bei einem kleinen Kind machte, welches den Sinn von Sonne und Regen noch nicht verstand, legte der Elf seine Hände auf Arrows Schultern, schaute ihr tief in die Augen und erwiderte in langsam gesprochenen Worten: „Da war die Lage auch noch anders. Zu deinem Geburtstag war die amtierende Ur-Jahreszeit zugegen, welche ihre eindeutige Zustimmung zu diesem Vorhaben gegeben hat. Jetzt ist sie weg, und ich weiß noch nicht einmal, wie ich mein Amt übernehmen soll, sobald die natürliche Zeit dafür gekommen ist.“
„Soll das heißen, dass du keinen Frühling erschaffen kannst?“, fragte Arrow fast spöttisch. Doch Dewaynes Blick verriet ihr, dass er nicht scherzte. Angesichts dieser Tatsache blieben ihr die Worte weg.
Nach dem Essen plauderten alle ausgelassen, nur Arrow war derart in ihre Gedanken vertieft, dass man sie mehrmals laut ansprechen musste, um ihre Aufmerksamkeit zu erhalten. Die ganze Zeit konnte sie sich nicht des Gefühls entledigen, etwas übersehen zu haben. Und jedes Mal, wenn sie sich ihrem Ziel ganz nahe fühlte, rückte es sogleich wieder in weite Ferne. Unruhig tigerte sie umher und suchte pausenlos nach neuen Beschäftigungen. Die Pferde streikten, als Arrow sie unbewusst rabiat striegelte, und sogar Pex ergriff die Flucht, als er ihre angespannte Rastlosigkeit bemerkte.
Als sie am Abend wieder vor dem Kamin der Bibliothek den Geräuschen der Wilden Jagd lauschten, wurde es Arrow zu viel. Sie wollte allein sein und musste nachdenken – was sehr viel komplizierter war, wenn man in lauter besorgte Gesichter blickte.
Einige Schritte vom Kamin entfernt kniete Dewayne auf dem Boden nieder. Dort schüttelte er ein kleines Kissen zurecht und winkte Arrow zu sich.
„Leg dich hier hin“, forderte er sie im Befehlston auf.
Nur widerwillig beugte sie sich dieser Anweisung.
„Welches Ziel hatten die Traumreisen, die Keylam sonst mit dir unternommen hat?“, wollte der Elf wissen.
„Sie führten zu den Verzauberten Wiesen“, antwortete Arrow überrascht. Offenbar wusste der Elf genau, was ihr fehlte und was er demzufolge zu tun hatte.
„Gut. Dann entspann dich bitte und versuche, gleichmäßig zu atmen.“
Wenige Augenblicke später konnte Arrow den Wind in ihren Haaren und die frische Briese auf ihrer Haut spüren. Anfangs war das Bild nur allzu verschwommen, denn dichter Nebel hatte sich über die Küste gelegt. Sie konnte kaum etwas erkennen, und das tosende Rauschen des Meeres bereitete ihr Unbehagen. Bevor Arrow sich versah, wurde sie von einer gewaltigen Flutwelle gepackt und ins Meer gezogen. Mit aller Kraft versuchte sie an die Oberfläche zu schwimmen, und als sie es endlich geschafft hatte sah sie um sich herum nur noch die unbezähmbare dunkle See. Ein Ufer war nirgends in Sicht. Dann tat sich vor ihr das Meer auf und formte einen gewaltigen Strudel, so dass sie sich im nächsten Moment bereits im Wirbelsturm der Nyriden wieder fand, die gepeinigt das Lied der Verdammnis summten.
Arrow erwachte schreiend. Sie war schweißgebadet und wurde von grauenvollen Kopfschmerzen geplagt. Heftig nach Luft schnappend, bemerkte sie nur schwach, dass sich die anderen um sie versammelt hatten.
„Irgendetwas muss schief gelaufen sein“, hörte sie Anne sagen und die dröhnenden Worte durchbohrten Arrows Kopf wie Tausend Nadelstiche.
„Es war, als wäre sie mir von einer unsichtbaren Macht gewaltsam entrissen worden“, sagte Dewayne. „In meinem inneren Auge war da eine riesige, dürre
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