Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
Hinweis darauf finden, wie du ihn in die Knie zwingen kannst – egal, wo auch immer du danach suchen wirst.“
Perseis‘ Worte flößten Arrow Angst ein. Sie atmete heftig und begann zu zittern – nicht weil ihr kalt war, sondern wegen des unguten Gefühls in ihrem Bauch. „Ist er mächtig?“, fragte sie scheu.
„Nicht einmal diese Frage kann ich dir korrekt beantworten“, entgegnete Perseis. „Er ist ein Bruder der Zeit und so alt wie die Welt selbst. Du allein bestimmst seine Macht. Er ist nicht stärker, als du es ihm zugestehst.“
Perseis wandte sich ab und ihr Blick verriet, dass sie nicht weiter auf dieses Thema eingehen wollte – vermutlich weil sie es nicht konnte.
Anmutig erhob sich die Göttin, und bevor das Wasser etwas von ihrem nackten Körper preisgeben konnte, schmiegte sich ein langes Flammenkleid darum. Es bestand allein aus Feuer, dessen viele Flämmchen mit jeder Bewegung – mal mehr, mal weniger – unruhig züngelten. Die lange Schleppe rauschte mit jedem Schritt, den sie sich vom Brunnen entfernte, und irgendwann erstickte das Geräusch.
Wenig später stieg auch Arrow aus dem Brunnen und ließ sich von einer der Nymphen ein bequemes Gewand reichen. Von der paradiesischen Gartenlandschaft, die den Brunnen umgab, zweigten riesige Tore in weitere Hallen ab. Jede schien ihre eigene kleine Welt zu bergen. Hinter einigen Eingängen schien man sogar vergessen zu können, dass sich die malerischen Landschaften mit ihren satten Wiesen, kleinen Wäldchen und Beerensträuchern weit unter dem Meeresspiegel befanden. Einzig die Regenbogenfische ließen die Erinnerungen zeitweilig zurückkehren.
„Ein Ort wie für Dichter geschaffen“, flüsterte es in Arrows Kopf, und als sie die sanfte und beruhigende Stimme vernahm, musste sie lächeln.
„Oh“, erklang Perseis‘ Stimme, während sie sich leichtfüßig näherte. „Ich habe gar nicht gewusst, dass du in Begleitung gekommen bist.“
Arrow runzelte die Stirn. „In Begleitung?“, fragte sie verwundert.
Mit einem betörenden Lächeln zupfte Perseis ein langes schwarzes Haar aus Arrows blonder Haarpracht. „Ach, du meinst Whisper“, fiel es Arrow wie Schuppen von den Augen. „Er ist mein Perseide.“
„Ah“, erwiderte die Göttin. „Der zurückhaltende Wächter, der Tag und Nacht an der Seite seines Schützlings wandelt.“
Arrow lächelte. „Das tut er. Und mittlerweile ist er weit mehr als nur ein Wächter.“
Schmachtend ließ Perseis ihren Blick an Arrow vorbei schweifen. „Das kann ich nachempfinden. Dieser Ausstrahlung würde ich auf Dauer auch nicht widerstehen können.“
Verwundert runzelte Arrow die Stirn, denn sie hatte nicht gewusst, dass die Göttin eine Pferdeliebhaberin war. „Verkaufen werde ich ihn dir aber nicht“, witzelte sie. Und während beide Frauen über diese Bemerkung lachen mussten, traf es Arrow plötzlich wie ein Blitz. Völlig gebannt richtete sie ihren Blick auf eines der Tore, hinter dessen Durchgang ein Kelpie weidete. Natürlich fraß es das Gras nicht wirklich, sondern täuschte es nur vor. So ließ es seine Opfer in dem Glauben, ein echtes Pferd zu sein. Es sah ganz anders aus als Stone. Alt war es noch nicht und die Wassertropfen schimmerten wie kleine Perlen in seinem strahlend gesunden Fell. Es war ein wirklich stolzes Tier.
Neugierig schlich Arrow näher heran und beobachtete es. Ihre Erfahrungen mit Stone machten ihr deutlich, dass dieses Kelpie bereits ihre Witterung aufgenommen und sie als Beutetier auserkoren hatte. Trotzdem spielte es Arrow weiterhin vor, ein ganz gewöhnliches Pferd zu sein. Ungeduldig hob es seinen Kopf und trabte gemächlich zu ihr herüber. Seine Augen verrieten, wie hungrig es war, und Arrow bekam es mit der Angst zu tun. Wie sollte sie hier unten einem Kelpie entfliehen? Doch sie war so starr vor Schreck, dass sie sich nicht einmal von der Stelle rühren konnte. Hilflos schaute sie zu, wie das erschreckend schöne Raubtier immer näher kam. Gerade sah sie noch die spitzen Zähne aufblitzen, bevor es sich von ihr abwandte und in Windeseile mit einem lauten Kreischen davon lief.
Mit noch immer geweiteten Augen schaute Arrow der Gefahr hinterher und wischte sich die Schweißperlen von der Stirn.
Der Klang von Perseis‘ Stimme ließ sie zusammenzucken. „Wie es aussieht, scheint dein Begleiter eine starke Wirkung auf deine Feinde zu haben. Allerdings frage ich mich, wen du mehr zu fürchten hast – ein Kelpie oder vielleicht sogar ihn selbst?“
Die
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