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Frühstück bei Tiffany

Frühstück bei Tiffany

Titel: Frühstück bei Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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bleibt dem hinzuzufügen? je weniger, je besser, außer, daß es unumgänglich war und von neun bis fünf dauerte. Was unsern Stundenplan, Hollys und meinen, außerordentlich verschieden machte.
    Wenn es nicht Donnerstag war, ihr Sing-Sing-Tag, oder wenn sie nicht im Park ausgeritten war, was sie gelegentlich tat, war Holly knapp aufgestanden, wenn ich heimkam. Manchmal hielt ich dort an und teilte ihren Aufweck-Kaffee mit ihr, während sie sich für den Abend anzog. Sie war ständig gerade beim Ausgehen, nicht immer mit Rusty Trawler, aber meistens, und meistens auch schlossen sich ihnen Mag Wildwood und der gutaussehende Brasilianer an, der Jose Ybarra-Jaeger hieß - seine Mutter war eine Deutsche. Als Quartett schlugen sie einen unmusikalischen Ton an, was hauptsächlich Ybarra-Jaegers Fehler war, der in ihrer Gesellschaft so deplaciert wirkte wie eine Violine in einer Jazzband.
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    Er war intelligent, er war präsentabel, er schien ernstlich mit seiner Arbeit verbunden, die unklar etwas mit der Regierung zu tun hatte, irgendwie wichtig war und ihn einige Tage in der Woche nach Washington entführte. Wie also konnte er es Abend für Abend überleben, in La Rue, EI Morocco, dem Wildwood-P-PPlaudern zuzuhören und in Rustys Kinderpopogesicht zu blicken? Möglicherweise war er - wie die meisten von uns in einem fremden Lande - unfähig, die Menschen einzuordnen, den Rahmen für ihr Bild herauszufinden, wie er dies in der Heimat getan hätte; alle Amerikaner mußten deshalb in etwa dem gleichen Lichte betrachtet werden, und auf dieser Basis erschienen seine Gefährten als erträgliche Beispiele für Lokalkolorit und Nationalcharakter. Das würde viel erklären; Hollys Entschlossenheit erklärt den Rest.
    Während ich eines Nachmittags spät auf einen Fifth-AvenueBus wartete, bemerkte ich eine Taxe auf der anderen Straßenseite, die hielt, um ein Mädchen aussteigen zu lassen, das die Stufen zur Bibliothek an der Zweiundzwanzigsten Straße hinauflief. Sie war schon durch die Türen, ehe ich sie erkannte, was verzeihlich ist, denn Holly und Bibliotheken waren nicht leicht in Zusammenhang zu bringen. Ich ließ mich von der Neugier zwischen den Löwen hindurchgeleiten, unterwegs überlegend, ob ich zugeben sollte, ihr gefolgt zu sein, oder aber Zufall vorschützen. Am Ende tat ich keins von beiden, sondern verbarg mich einige Tische entfernt von ihr im Lesesaal, wo sie hinter ihren dunklen Gläsern und einer Festung aus Literatur saß, die sie sich bei der Ausgabe geholt hatte. Sie hastete von einem Buch zum andern, zeitweilig über einer Seite verweilend, stets mit gerunzelter Stirn, als sei sie verkehrt herum gedruckt. Sie hielt einen Bleistift in der Schwebe über Papier - nichts schien ihre Phantasie anzusprechen, bis sie hier und da, wie vom Teufel gejagt, fleißig zu kritzeln begann. Indem ich sie beobachtete, fiel mir ein Mädchen ein, das ich in der Schule gekannt, eine Streberseele, Mildred Grossman. Mildred mit ihrem strähnigen Haar und den speckigen Brillengläsern, ihren fleckigen Fingern, die Frösche sezierten und Kaffee zu Streikposten brachten, ihren flachliegenden Augen, die sich den Sternen nur zuwandten, um deren chemisches Gewicht abzuschätzen
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    Erde und Luft konnten nicht größere Gegensätze sein als Mildred und Holly, dennoch nahmen sie in meinem Kopfe die Gestalt siamesischer Zwillinge an, und der Gedankenfaden, der sie also zusammengenäht hatte, verlief so: die durchschnittliche Persönlichkeit formt sich des öfteren neu, alle paar Jahre werden selbst unsere Körper zur Gänze frisch überholt wünschenswert oder nicht, ist es naturgegeben, daß wir uns wandeln sollen. Schön, hier waren nun zweie, die das niemals tun würden. Das ist es, was Mildred Grossman mit Holly Golightly gemein hat. Nie würden sie sich ändern, weil sie ihr Gepräge allzu früh erhalten hatten: die eine hatte sich als toplastige Realistin aufgetakelt, die andere als schiefe Romantikerin. Ich stellte sie mir in einem Restaurant der Zukunft vor, wo Mildred noch immer das Menu auf seinen Nährwert hin studierte, Holly sich voller Gier auf all und jedes davon stürzte. Es würde niemals anders sein. Sie würden durch ihr Leben wandern und davongehen mit dem gleichen entschlossenen Schritt, der jenen Klippen zur Seite nur geringe Beachtung schenkte. Solche tiefgründigen Betrachtungen ließen mich vergessen, wo ich war; ich kam zu mir, erschrocken, mich im Düster der Bibliothek zu finden, und neuerlich ganz

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