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Frühstück bei Tiffany

Frühstück bei Tiffany

Titel: Frühstück bei Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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reichlich gespannt, bis ich mit Mag ein vertrauliches Gespräch unter vier Augen hatte.»
    Wir waren im vorderen Zimmer, wo, obgleich es nun schon fast März war, der riesige Weihnachtsbaum, braun geworden und ohne Geruch, seine Ballons eingeschrumpelt wie die Zitzen einer alten Kuh, noch immer fast allen Raum beanspruchte. Ein erkennbares Möbelstück war dem Zimmer zugefügt: ein Feldbett, und Holly, die ihr tropisches Aussehen zu bewahren suchte, lag dort langausgestreckt unter einer Höhensonne.
    «Und Sie haben sie überzeugt?»
    «Daß ich nicht mit Jose geschlafen hätte? Mein Gott, ja. Ich habe ihr ganz einfach erzählt - aber natürlich habe ich es wie ein abgerungenes Geständnis klingen lassen -, einfach erzählt, daß ich schwul sei.»
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    «Das kann sie doch nicht geglaubt haben.»
    «Als ob nicht! Wozu meinen Sie, ist sie losgegangen und hat dies Feldbett hier gekauft? Das können Sie mir schon lassen: ich bin immer große Klasse in Schockbehandlung. Seien Sie ein Herzchen, Herzchen, reiben Sie mir den Rücken mit 01 ein.» Während ich ihr diesen Dienst leistete, sagte sie-. «Ch. J. Berman ist zur Zeit in der Stadt, und passen Sie auf: ich habe ihm Ihre Geschichte in der Zeitschrift gegeben. Er war ganz beeindruckt. Er meint, daß es sich vielleicht lohne, Ihnen zu helfen. Aber er sagt, Sie seien auf der falschen Fährte. Neger und Kinder - wen kümmert das? »
    «Mr. Berman nicht, vermutlicherweise.»
    «Na, ich kann ihm nur recht geben. Ich habe die Geschichte zweimal gelesen. Gören und Nigger. Zitterndes Laub. Beschreibung. Es gibt keinen Sinn.»
    Meine Hand, die Öl auf ihrer Haut verrieb, schien ihr eigenes Temperament zu haben - sie verlangte danach, sich aufzuheben und auf ihrem Hinterteil herunterzufallen. «Geben Sie mir ein Beispiel!» sagte ich ruhig. «Von etwas, das einen Sinn gibt. Ihrer Meinung nach.»
    «Wutherings Heights», sagte sie ohne zu zögern.
    Das Drängen in meiner Hand nahm über jede Kontrolle zu. «Aber das ist unvernünftig. Sie sprechen über das Werk eines Genies.»
    «Das ist es, nicht wahr? Meine süße wilde Chathy . Mein Gott, eimervoll habe ich geheult. Ich hab's zweimal gesehen.»
    Ich sagte «Oh» mit vernehmbarer Erleichterung, «Oh» mit einem niederträchtig ansteigenden Tonfall, «den Film!»
    Ihre Muskeln verhärteten sich, sie fühlte sich an, wie ein von der Sonne gewärmter Stein.
    «Jedermann muß sich irgendwem gegenüber überlegen vorkommen», sagte sie.
    «Im allgemeinen ist es nur üblich, dafür einen kleinen Beweis vorzubringen, ehe man sich das herausnimmt.»
    «Ich vergleiche mich ja nicht mit Ihnen. Oder mit Berman. Daher kann ich mir nicht überlegen vorkommen. Wir wollen nur ganz andere Dinge.»
    «Wollen Sie nicht Geld verdienen?»
    «So weit habe ich noch gar nicht geplant.»
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    «So klingen Ihre Geschichten auch. Als hätten Sie sie geschrieben, ohne den Schluß zu kennen. Na, ich will Ihnen nur sagen: verdienen Sie lieber Geld. Sie haben eine kostspielige Phantasie. Nicht viele Leute werden Ihnen Vogelkäfige kaufen.»
    «Es tut mir leid.»
    «Das wird es, wenn Sie mich hauen. Vor einer Minute haben Sie das gewollt - ich konnte das in Ihrer Hand spüren. Und Sie möchten es auch jetzt.»
    Und ob, entsetzlich gern; meine Hand, mein Herz zitterten, während ich die Flasche zuschraubte. «0h nein, das würde mir nicht leid tun. Bedauern tue ich nur, daß Sie Ihr Geld an mich verschwendet haben - Rusty Trawler als Verdienstquelle ist doch mehr als übel.»
    Sie setzte sich auf dem Feldbett auf, ihr Gesicht, ihre nackten Brüste im Schein der Höhensonne von kaltem Blau. «Etwa vier Sekunden sollten Sie brauchen, um von hier zur Tür zu kommen. Ich gebe Ihnen zwei.»
    Ich ging geradewegs nach oben, holte den Vogelkäfig, nahm ihn herunter und ließ ihn vor ihrer Tür stehen. Damit war das erledigt. Oder so bildete ich mir das jedenfalls ein bis zum nächsten Morgen, als ich beim Fortgehen zu meiner Arbeit den Käfig, gegen eine Abfalltonne am Bürgersteig gelehnt, auf den Mann von der Müllabfuhr warten sah. Schafsdämlich genug rettete ich ihn und trug ihn zurück in mein Zimmer, eine Kapitulation, die meinen Entschluß nicht minderte, Holly Golightly gänzlich aus meinem Leben zu streichen. Sie war, entschied ich, «eine ungeschliffene Exhibitionistin», «eine Zeitverschwendung», «absoluter Talmi» - jemand, an den ich nie wieder das Wort richten würde.
     
    Und das tat ich auch nicht. Lange Zeit nicht. Mit niedergeschlagenen Augen

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