Frühstück im Bett
beurteilen. Vielleicht reden sie dir ein, dein D in Mathematik sei nicht so schlimm, weil die meisten Mädchen nicht viel von Mathematik verstehen. Oder sie sagen, du solltest dich nicht über die Ungerechtigkeit in dieser Welt aufregen, weil du nur ein kleiner Niemand im Universum bist. Selbst wenn sie’s gut meinen – damit würdigen sie dich herab.« Ihre Brust verengte sich, und sie atmete noch einmal tief durch. »Um deine Macht festzuhalten, musst du lernen, wann es nötig ist, Fehler einzugestehen, und wann du auf deinem Standpunkt beharren solltest, weil du ihn richtig findest.«
»Wie erkennt man den Unterschied?«
Sugar Beth zuckte die Achseln. »Das herauszufinden – darin liegt der Sinn des Lebens.«
»Haben Sie’s rausgekriegt?«
Nur eine 13-Jährige konnte solche Fragen stellen. »Noch nicht. Aber ich arbeite dran.«
Gigi nickte. Eine Zeit lang schien sie über all das nachzudenken. Dann stützte sie ihre Ellbogen auf den Tisch. »Und jetzt reden wir über Sex.«
Zu einer solchen Diskussion wollte sich Sugar Beth nun wirklich nicht verleiten lassen. Sie wechselte schnell das Thema. »Jetzt ist der Kaffee fertig«, verkündete sie und sprang auf.
»Wie merkt man’s denn, ob man für Sex bereit ist?«
Sugar Beth dachte an das zerwühlte Bettzeug in ihrem Schlafzimmer. »Wenn’s nicht dringend ist – und das hoffe ich –, wollen wir dieses Gespräch auf ein andermal verschieben.«
»Okay.« Gigis selbstzufriedenes Grinsen erregte den Verdacht, sie hätte Sugar Beth soeben in eine Falle gelockt, um sich ein weiteres Treffen zu sichern. »Wollen wir mit dem Make-up anfangen?«
Gute Idee, dachte Sugar Beth. »Warum nicht?«
Allmählich ließen ihre Kopfschmerzen nach, während sie mit dem Inhalt des Kosmetikbeutels experimentierten. Sie erörterten, wie man Mascara-Flecken vermied, Macht errang und sich Ziele setzte. Manchmal fühlte sich Sugar Beth wie eine Heuchlerin, aber nicht oft. Als sie Gigis Lider konturierte, überlegte sie, ob sie zumindest ein kleines bisschen Weisheit gewonnen hatte, das sie an die nächste Generation weitergeben durfte.
Gigi erklärte, gegen drei würden ihre Eltern heimkommen. Kurz vor halb drei ging sie widerstrebend zur Tür. Sugar Beth folgte ihr aus dem Haus und ließ einen unglücklichen Gordon zurück.
»Diesmal müssen Sie mich nicht begleiten. Ich bin kein Baby.«
»Du kletterst auf keinen Fall am Verandapfosten hoch, wenn ich nicht aufpasse.«
»Als wäre das eine wahnsinnig coole Herausforderung!«
»Vorsicht – Sarkasmus schwächt deine persönliche Macht.«
»Sie sind sarkastisch.«
»Deshalb weiß ich’s ja.«
Gigi kicherte.
Lächelnd fügte Sugar Beth hinzu: »Wir alle sind unfertige Geschöpfe. Und glaub mir – ich musste mich ganz besonders anstrengen, um nur zur Hälfte fertig zu werden.«
»Jedenfalls haben Sie gute Arbeit geleistet.«
Sugar Beth verstand nicht, warum sie sich so großartig fühlte. Nur weil sie von einer 13-Jährigen gelobt wurde?
Als sie sich dem Galantine-Haus näherten, versteckte sie sich in einer Baumgruppe, damit sie unbemerkt beobachten konnte, wie das Mädchen zum Schlafzimmerfenster hinaufturnte. Bevor Gigi an ihr Ziel gelangte, schwang sie sich nach hinten und winkte mit beiden Armen. Hoffte sie, ihre »Tante« würde einen Herzanfall erleiden? Das wäre beinahe passiert. Aber Sugar Beth wandte sich ab und verdarb ihr den Spaß.
Ein Zweig knackte. Zwischen den Bäumen bewegte sich etwas, dann tauchte Ryan auf. Anscheinend schockierte ihn die Begegnung ebenso wie sie. Er trug einen dunkelblauen Sportmantel und eine dezente Krawatte – ein Outfit, in dem sie sich sonst niemanden vorstellen konnte, außer vielleicht Colin bei einem Waldspaziergang.
»Oh – Sugar Beth? Was …« Da entdeckte er seine Tochter, die am Verandapfosten hing und ihre akrobatischen Talente bewies. »Gigi!«, rief er und rannte zum Haus. »Komm sofort da runter!«
Gigi hielt sich am Pfosten fest. Sogar über den Garten hinweg sah Sugar Beth ihr angstvolles Gesicht. Nur zu gut erinnerte sie sich, was väterlicher Zorn bedeutete. Langsam rutschte das Mädchen am Pfosten hinab. Aber nicht so langsam, dass sich Ryan inzwischen beruhigt hätte.
Sobald Gigis Füße den Boden berührten, packte er ihren Arm und schüttelte sie. Instinktiv rannte Sugar Beth zur Veranda. Aber als sie die beiden erreichte, hatte er das Kind bereits losgelassen. »Was machst du hier draußen? Deine Mutter und ich haben dich überall
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