Frühstück mit Kängurus
Gratistasse Tee holt oder mal ordentlich ü ber die Str ä nge schl ä gt und eine Flasche Victoria Bitter trinkt, ob man zur ü ck in sein Abteil schlendert und sich das Buch holt, das man vergessen hat, oder einfach sitzen bleibt und die Landschaft nach Emus und K ä ngurus absucht. Falls Ihnen das nach Lebendig- Begraben-Sein klingt, dann t ä uschen Sie sich. Ich am ü sierte mich wirklich. L ä ngere Zeit in einem Zug festzusitzen hat etwas herrlich Beruhigendes. Es ist wie eine Vorschau darauf, wie es ist, wenn man ü ber achtzig ist. Alles, was Achtzigj ä hrigen Spa ß macht - mit leerem Blick aus dem Fenster zu starren, ein Nickerchen im Sessel zu machen, alle, die so dumm sind, sich zu ihnen zu setzen, t ö dlich zu langweilen - nahm eine besondere, ganz kostbare Bedeutung f ü r mich an. Das war das wahre Leben!
Unsere neuen Mitfahrer waren ein fideler Haufen: Phil, ein Grafiker aus Newcastle in New South Wales; Rose und Bill, ein liebes, ruhiges Paar aus England, das seinen Sohn besuchen wollte, einen Bergwerksingenieur in Kalgoorlie; drei wei ß haarige Burschen von einem Rasenbowlingclub in Neutral Bay, die wie Seeleute auf Landgang soffen, und eine wundervolle klapperd ü rre, kettenrauchende, st ä ndig sturzbetrunkene Dame, deren Namen offenbar keiner kannte und die auf jedwede an sie gerichtete h ö fliche Bemerkung wie » Guten Morgen « , » Gut geschlafen? « , » Ich bin Bill, und das ist Trevor « » Ja! « schrie und dann ausgiebig und wie von Sinnen lachte und einen Schluck Shiraz hinuntergoss. Die Abende mit dieser Gruppe gestalteten sich immer recht ausgelassen, so sehr, dass meine Notizen f ü r die betreffenden Zeiten - auf Streichholzbriefchen und Bierdeckeln - ein gewisses Ma ß hochgestimmter Inkoh ä renz aufweisen: » G. 1947 in M ä nnerklo in Alice Springs von Kamel angegriffen - gro ß artig! « Doch ich erinnere mich, dass ich mich k ö stlich am ü siert habe.
An unserem zweiten Reisetag rollten wir durch die gewaltige Nullarbor-Ebene. Viele Leute, auch Australier, meinen, Nullarbor sei ein Aborigine-Begriff, es kommt aber von den lateinischen Worten f ü r » keine B ä ume « , und der Name passt wie die Faust aufs Auge. Hunderte von Meilen ist das Land flach wie ein stilles Meer und eint ö nig kahl, man sieht nur rote Erde, Blaubuschakaziengruppen und Spinifexb ü schel sowie hier und dort verstreute Felsen, die die Farbe schlechter Z ä hne haben. In einem Territorium, das viermal so gro ß ist wie Belgien, gibt es keinen Kr ü mel Schatten. Nullarbor ist eine der unwirtlichsten Gegenden des Planeten.
Gleich nach dem Fr ü hst ü ck fuhren wir ü ber die l ä ngste schnurgerade Eisenbahnstrecke der Welt - zweihundert- undsiebenundneunzig Meilen pfeilgeradeaus ohne einen Schlenker - und trafen noch vormittags in Cook ein, einem Kaff, gegen das White Cliffs weltoffen und fast urban wirkte. Gen Osten und Westen war es f ü nfhundert Meilen von allem, was man Stadt nennen k ö nnte, entfernt, nach S ü den hundert Meilen und nach Norden mehr als tausend von der n ä chsten asphaltierten Autostra ß e getrennt. Cook (Bev ö lkerungszahl: vierzig) war nur gegr ü ndet worden, um durchfahrende Z ü ge mit Wasser, Treibstoff und anderen Dingen zu versorgen. Neben den Schienen stand ein Schild mit den Worten » Kein Essen oder Treibstoff auf den n ä chsten 862 Kilometern « . Be ä ngstigend, der Gedanke, finden Sie nicht?
Wir mussten zwei Stunden in Cook zubringen - Gott allein wei ß , warum so viel -, und alle durften aussteigen und sich umschauen. Es war nett, dass man mal wieder herumlaufen konnte, ohne sich alle paar Schritte an einer schwankenden Wand abst ü tzen zu m ü ssen, aber ansonsten verlor Cook ziemlich bald seinen Reiz. Es war ja auch nicht viel da - Bahnhof, Post, ein paar Dutzend Fertigbungalows auf staubigem Grund, ein mickriger Laden mit haupts ä chlich leeren Regalen, ein mit Brettern verschlagenes Gemeindezentrum, eine leere Schule (es war mitten in den Ferien), ein kleines Freibad (auch geschlossen) und eine Landebahn mit einem schlaffen Windsack. Die Hitze war grauenhaft und von allen Seiten schwappte die W ü ste gegen den Ort wie Flutwellen.
Mit einer Karte von Australien in der Hand betrachtete ich die Dimensionen dieser gigantischen Ein ö de und versuchte die unbegreifliche Tatsache zu verdauen, dass ich, wenn ich nach Norden gewandert w ä re, erst nach eintausendundeinhundert Meilen zu einer Asphaltstra ß e gekommen w ä re, da kam Trevor
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