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Fruehstueck mit Proust

Fruehstueck mit Proust

Titel: Fruehstueck mit Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frédérique Deghelt
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ernst.
    »Ich glaube, ich habe es schon immer geahnt, aber jetzt bin ich sicher: Ich habe mich fürs Fernsehen entschieden, weil ich geliebt werden wollte. Ich habe nie so viel gearbeitet wie in den letzten drei Jahren, in denen ich privat auf diesem hoffnungslosen Abstellgleis stand. Und jetzt, wo alles so gut läuft, stelle ich mir eine Frage, die nicht gerade im Sinne der Selbstverwirklichung einer Frau ist, nämlich, ob ich überhaupt noch auf Sendung gehen sollte!«
    Jade verglich die Worte ihrer Freundin mit ihren eigenen Zweifeln und fragte sich, ob eine bestimmte Art von Frauen ihren Liebesfrust durch Arbeit zu verdrängen versucht. Eine Mutmaßung, die jede Feministin hätte aufschreien lassen. Aber warum sollte man Frauen nicht das Recht zugestehen, große Liebende zu sein und dennoch nicht ihre ganze Zeit mit Herzensangelegenheiten zu verbringen? Stimmt doch, oder?, dachte Jade … Und die Männer? Empfanden die es genauso? Nein, sicher nicht. Bei ihnen schien es in den Genen eingeschrieben zu sein, dass sie beruflichen Erfolg anstrebten und die soziale Leiter hinaufstiegen, mit oder ohne Liebe …Legten Frauen weniger Wert auf Geld und Anerkennung? Wonach waren sie auf der Suche, was die Liebe ihnen nicht geben konnte? Und worauf hätten sie am ehesten verzichtet, wenn nur die Liebe in ihr Leben treten würde? »Auf nichts«, hätten einige ihrer Bekannten geantwortet, das wusste Jade, und sie bedauerte es. Und wieder kam ihr das Gesicht ihrer Großmutter in den Sinn, als wäre sie die Antwort auf alle Fragen in ihrem Leben. Ja, es sah ganz so aus, als schriebe sie ihr eine noch größere Weisheit zu als jene, die Mamoune selbst, wie sie meinte, aus Büchern gewonnen hatte.
    Und seit die Großmutter bei ihr lebte, dachte Jade auch nicht mehr an den Tod. Nicht an ihren eigenen und nicht an den der Menschen, die sie liebte. Er war nur noch ein verschwommener Gedanke. Mit Mamoune darüber zu sprechen wagte sie ohnehin nicht, so als wollte sie diese unangebrachte Sorge bannen, indem sie darüber schwieg. Zweifellos hatte sie Angst, Mamoune könnte sich für solche Gedanken verantwortlich machen. Aber Jades noch größere Befürchtung war, ein Thema anzuschneiden, das in Mamounes Alter naheliegender zu sein schien als in ihrem. Und doch brannte sie darauf, diesen Aspekt des Lebens mit Mamoune zu teilen. Sie wollte wissen, ob man existentielle Fragen in ihrem Alter endlich gelöst hatte: Wie soll man leben? Wie lange? Warum? Mit wem?
    Ein Klingeln ihres Handys unterbrach ihre philosophischen Betrachtungen. Jade entschuldigte sich und warf einen Blick auf das Display, weil sie Mamoune vermutete. Elisa machte eine zustimmende Geste, beide hassten sie nämlich die Leute, die nicht ohne ihr Telefon auskamen. Es war Rajiv, und Jade meinte zu spüren, wiesich beim Lesen seines Namens plötzlich ihre Wangen röteten. Sie legte den kleinen schwarzen Kasten zurück auf den Tisch und hörte ihr Herz klopfen, bis ein kurzes Signal sie benachrichtigte, dass er ihr eine Nachricht hinterlassen hatte. Elisa hatte den Blick nicht von ihr gewandt, und ihre amüsierte Miene ließ darauf schließen, dass sie ganz genau wusste, in welcher seelischen Verfassung ihre Freundin war. »Hör dir die Nachricht ruhig an, wenn du willst …« – »Nein«, sagte Jade, legte das Gerät weg und griff wieder danach, wobei sie Elisa musterte. Kurze, kastanienbraune Haare, hohe Wangenknochen, grünblaue Augen, ein Lächeln auf den Lippen, das dem von Rajiv in nichts nachstand. Oder war es der Einfluss von Rajivs Stimme? Die beiden Lächeln überlagerten sich. Jade schaltete ihr Handy aus.
    »Er schlägt mir vor, mit ihm zu einem Klavierkonzert zu gehen. Einem Jazzkonzert, nichts Klassisches. Morgen Abend. ›Ich liebkose ehrerbietig Ihre Füße in der Hoffnung, dass Ihre Antwort positiv ausfallen möge.‹ Kennst du einen Mann, der so was auf eine Mailbox spricht?«
    »Nein, aber es ist auch nicht unbedingt eine schlechte Nachricht! Ein bisschen verrückt ist er schon, was?«
    Jade zog die Augenbraue hoch und hob ihr Glas:
Salud!
    Zwei Männer gingen vorbei und sahen zu den beiden jungen Frauen herüber, die da im Sonnenuntergang saßen, lachten und einander zuprosteten. Sie kommentierten es leise und winkten ihnen zu. Warum, dachte Jade, begnügen wir uns nicht mit dieser sorglosen Leichtigkeit und verweisen das drohende Unwetter, das über dem Leben liegt, hinter die Schranken des Alters? Zum erstenMal erahnte sie eine schreckliche und

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