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Fruehstueck mit Proust

Fruehstueck mit Proust

Titel: Fruehstueck mit Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frédérique Deghelt
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Epoche.
    »Weißt du nicht, wie unser Leben war? Wir verbrachten unsere Zeit damit, sehr unangenehme Pflichten zu erfüllen. Wir waren altmodisch. Ich erinnere mich, dass wir tagelang damit beschäftigt waren, Stoffwindeln zu kochen, die nie trocknen wollten, während unsere Babys sie ohne Unterbrechung und in ziemlich kurzen Abständen wieder eindreckten. Dazu kamen noch der Haushalt, der Abwasch, dann hast du eine Beschreibung der schrecklichen Tage, an denen wir uns die Kinder auf den Rücken packten, oder in Schaukelwiegen, und vonZeit zu Zeit nachschauten, ob sie auch einschliefen. Wir hatten keine Zeit, ihnen zuzusehen, wie sie aufwuchsen, schliefen oder weinten. Manchmal nahmen wir sie sogar an die Brust und nähten oder stopften dabei weiter Socken.«
    Mamoune unterbrach sich, um Luft zu holen.
    »Wenn ich mit dir darüber rede, kommt es mir vor, als würde ich diese ganze Plackerei aufs Neue erleben! Komm, lass uns bei Ahmed eine kleine Pause einlegen.«
    Mamoune betrat einen Lebensmittelladen und ging zielstrebig auf den Hinterraum zu. Jade folgte ihr verblüfft.
    »Wie geht es Ihnen, Jeanne?«, rief ein älterer Herr, den Jade noch nie gesehen hatte.
    »So gut wie Ihnen, Ahmed, wenn man bedenkt, dass ich nicht mehr die Jüngste bin«, antwortete Mamoune und ging auf ihn zu. »Das hier ist meine Enkeltochter Jade.«
    »Ah, das ist also Ihre Kleine? Bonjour, Mademoiselle Jade, Sie haben Glück, zusammen mit einer Großmutter wie Jeanne leben zu dürfen! Darf ich Ihnen einen Pfefferminztee anbieten?«
    Sie nahmen an einem kleinen runden Tisch Platz. Mamoune betrachtete Jade, die immer noch sehr erstaunt war. Ahmed war wieder verschwunden, er hatte Kundschaft.
    »Mach nicht so ein Gesicht, ich kenne inzwischen viele Leute hier im Viertel. Eine Sache wollte ich dir gern noch zu Ende erzählen. Unsere Babys sahen nicht, wie wir uns mit ängstlichen Gesichtern über ihre Wiegen beugten. Sie schliefen bei allen Geräuschen, die wir machten, so auch bei unserem Gesang. Und wir habenviel gesungen, vor allem im Waschhaus. Wir waren fröhlich, wir hielten zusammen. Ganz anders als heute. Wenn eine Jüngere von uns sich Sorgen machte, weil ihr Kind Fieber hatte oder schrie, wussten die anderen sofort Rat und übernahmen ihre Arbeit, während sie sich um ihr Kind kümmerte. Wir stellten uns keine Fragen über Mutterrolle und Beruf. Wir sind irgendwie zurechtgekommen. Selbst die Frauen, die in der Fabrik arbeiteten, mussten hinterher noch ihren Haushalt erledigen. Ihre Kinder sahen sie selten, die wurden von den Großmüttern aufgezogen, die darum der Familie auch nicht lästig waren, sondern unentbehrlich.«
    Eine dunkelhaarige Frau um die vierzig gesellte sich zu ihnen und stellte eine Kanne Tee auf den kleinen Tisch. Sie hatte Mamoune zugehört und umarmte sie nun herzlich.
    »Bei uns im Dorf leben die Frauen immer noch so«, sagte sie. »Aber auch dort ist alles im Wandel. Die jungen Frauen wollen in die Stadt. Aber Heime für alte Leute«, bemerkte sie mit einem Augenzwinkern, »haben sie noch nicht eingerichtet. Mamoune hat mir erzählt, dass Sie sie gerettet haben«, fügte sie hinzu und strich Jade zärtlich über die Schulter. »Ich bin Souad, Ahmeds Tochter.« Sie streckte Mamoune eine in Zeitungspapier gewickelte Flasche hin. »Ich habe Ihnen etwas von dem Argan-Öl aufbewahrt, das Sie letztes Mal in meinem Salat gegessen haben. Probieren Sie es, und vergessen Sie nicht, was ich Ihnen gesagt habe. Auch für die Haut ist es gut.« Mamoune dankte ihr und wollte das Öl bezahlen. »Behalten Sie Ihr Geld, Mamoune. Beim nächsten Mal.«
    Großmutter und Enkelin setzten ihren Heimweg fort. Auf der steilen Straße hakte Mamoune sich bei Jade unter.
    »Hin und wieder mache ich bei ihnen eine Pause«, erzählte sie. »Als ich eines Tages dort Oliven gekauft habe, lernten wir uns kennen. Ich schaue fast jeden Tag bei ihnen rein, wir trinken einen Minztee und plaudern ein wenig. Sie haben eine sehr große Familie. Wusstest du, dass ihr Geschäft rund um die Uhr geöffnet ist?«
    »In Paris ist das ziemlich häufig«, seufzte Jade.
    »Aber wie viel Arbeit das auch bedeutet? Zu meiner Zeit, weißt du …«
    Ach, Mamoune, wie rührend du mich immer belehrst!
     
    »Du warst wunderbar zu Pauline«, sagte sie zu ihr, als sie wieder zu Hause angekommen waren. Mamoune hatte es sich in einem Sessel bequem gemacht, und Jade setzte sich ihr zu Füßen. »Ich frage mich, ob wir überhaupt in der Lage sind, das mit dem Muttersein so

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