Frühstück um sechs
wie Ratten,
Verkehrsampeln und Spinnen, keine Angst. Aber eine schwache Stelle hatte er
wohl doch. Ich blieb sehr ruhig.
»Ist
ja nur eine Wespe«, sagte ich. »Nimm mir dieses Papier ab.«
»E-hm,
wie meinst du?« fragte er in rauhem Flüsterton, anscheinend, um die Wespe nicht
aufmerksam zu machen.
»Eine
Wespe. Schnell, das Papier reißt ja sonst ein! Hast du noch keine Wespe
gesehen? Da fällt mir ein: Es ist tatsächlich das erste Mal, daß mir hier eine
auffällt. Oh, ich persönlich bin an sie gewöhnt, wir hatten vorigen Herbst in
der Stadt viele. Nun sind sie also bis hierher gekommen. Solltest dich gar
nicht um sie kümmern.«
Das
Papier riß, und ich sagte ordentlich böse: »Verdammte Wirtschaft!«
»Wenn
es etwas gibt, was ich nicht ausstehen kann«, sagte Paul so gleichgültig, wie
er vermochte, »dann sind es alle Tiere, die stechen: Bienen, Mücken — und nun
tauchen auch noch die Wespen auf.«
In
dem Ton hätte vielleicht in grauer Vorzeit ein tiefbekümmerter Ägypter von
einer der großen Landplagen gesprochen.
Da
ich merkte, daß es sich um einen >Komplex< handelte, erzählte ich ihm,
wie harmlos Wespenstiche seien, und sagte zum Schluß: »Voriges Jahr hatte ich
vier, und kein einziger ist angeschwollen.«
Womit
ich bewies, daß man nichts als allgemein gültig behaupten soll, denn in diesem
Moment durchbrach die Wespe Pauls zitterige Abwehrstellung und stach zu. Er
stieß ein halb unterdrücktes Gebrüll aus, ließ das Ende der Tapete fallen und
klappte eine Hand vor seine hart betroffene Nase. Ich blieb ganz heiter. »Das
piekt nur für eine Minute, nachher weißt du überhaupt nichts davon.«
Aber
irgend etwas ging doch schief. Nach kaum einer halben Stunde glich Pauls
hübsche Nase einem kleinen überreifen Apfel, und wir arbeiteten in schwüler
Hitze, bei unbewegter Luft hinter verschlossenen Türen und hermetisch
abgedichteten Fenstern.
Es
wurde kein harmonischer Vormittag, doch er war noch Gold gegen den Nachmittag,
denn da nahmen wir die Decke in Angriff. Inzwischen war Pauls Nase so
geschwollen, daß er kaum über sie hinwegblicken konnte. Er machte ungeheures
Theater mit der Sache, ein Beweis, wie empfindlich sogar die tapfersten Männer
auf sehr geringe Nöte reagieren können. Obendrein schien er mich für das
Benehmen der Wespe verantwortlich machen zu wollen, als hätte ich ihm ihre
Unschädlichkeit garantiert.
Unser
Schweigen bekam eine grimmige Note, die muffige Luft wurde unerträglich. Das
Tapezieren einer Zimmerdecke läßt sich mit nichts auf Erden vergleichen. Paul
stand auf einer Art Tischgerüst, während ich ihm die Streifen zureichte. Immer
wieder rutschte das Papier ab, so daß wir von neuem anfangen und Schritt für
Schritt die schlechten Stellen ausflicken mußten. Fortwährend tropfte uns Kleister
ins Haar und in den Nacken, und die ganze Zeit — das kann ich leider nicht
verschweigen — zankten wir uns.
»Kannst
du nicht höher reichen?« fragte Paul gereizt.
»Du
wirst dich doch wohl bücken können! Brauchst nicht steif wie ein Ladestock
dazustehen, und ich bin nicht einsneunzig groß.«
»Dieses
Stück hast du aber schlecht bekleistert.«
»Nein,
das ist tadellos — war tadellos, bis du es zerrissen hast.«
Sie
kennen gewiß diesen Zustand, den ich aber höchst bedauerlich finde, wenn man
erst zwei Monate verheiratet ist. Noch ehe die Decke fertig wurde, ertappte ich
mich bei dem Gedanken, ob es wirklich klug gewesen war, sich mit einem Mann
nach nur achttägiger Bekanntschaft zu verloben. Was Paul gedacht hat, möchte
ich keinesfalls wissen.
Aber
später, als ich ihm meine abwegigen Gedanken beichtete, um mein Gewissen zu
erleichtern, fragte ich ihn doch, worüber er so finster gegrübelt hätte. Er
antwortete schlicht, er hätte an nichts gedacht, nur daß er nie wieder so eine
verflixte Decke tapezieren würde. Über mich hätte er nicht nachgedacht, da kein
Grund vorlag.
Eine
sehr unbefriedigende Antwort, die mein Gewissen nicht ganz reinigte. Als ich es
Larry erzählte, sagte sie, das sähe den Männern so recht ähnlich, die erwecken
immer gern in den Frauen ein Schuldbewußtsein.
Zuletzt
warfen mich die Hitze und die innere Wut fast um. »Hier erstickt man ja«,
keuchte ich. »Eine Minute wenigstens muß ich das Fenster aufmachen. Von Wespen
ist nichts mehr zu sehen, wahrscheinlich war das die einzige.«
Aber
damit hatte ich wieder unrecht. Wie hätte ich wissen sollen, daß eine Kollegin
der ersten gerade in dem Moment
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