Frühstück um sechs
Ansicht bedauert er, daß er seiner Tochter überhaupt den Verkehr mit
dieser Mrs. Russell und ihrer Freundin erlaubt hat, die sich so ungezogen und
laut benehmen.«
Wir begannen uns alle drei
sofort mit großer Stimmkraft zu unterhalten, aber ich wußte auch, daß Paul
seinen Spaß haben würde, wenn er erfuhr, daß Larry und ich ein ungezogenes und
lautes Benehmen hätten. Uns störte diese Kritik gar nicht, doch das, was Mrs.
Grant vom Colonel gesagt hatte, machte uns Kopfschmerzen.
Wo steckte Julian? Weshalb
griff der nicht rettend ein? Er war seit dem »geänderten« Schluß des Stückes
nicht mehr zu sehen gewesen. Wie mochte er sich jetzt fühlen? Aber jetzt war
nur eins wichtig: Anne das Rückgrat zu stärken, bevor sie mit ihrem Vater
zusammentraf. Julians gekränkte Gefühle, wenn er wirklich gekränkt war, waren
von zweitrangiger Bedeutung.
Ich sagte: »Legen Sie noch ein
bißchen mehr Lippenstift auf, das beruhigt so schön. Und vergessen Sie nicht,
daß Sie uns beistehen müssen. Wir haben uns plötzlich entschlossen, den Schluß
des Stückes zu ändern, klar? Mehr ist da nicht zu sagen.«
»Nur den Kopf hoch, Anne, wir
boxen Sie schon ‘raus, und Sie müssen mitmachen, auch um Tims willen. Er kommt
sich ja so schrecklich blamiert vor. Aber nur keine Aufregung deswegen; machen
Sie ein frohes Gesicht, Tante Hilary wird den Papa schon besänftigen.« Jetzt
kicherten wir alle drei beinah hysterisch.
Nachdem wir noch einmal tief
Luft geholt hatten, segelten wir in den Saal. Die Stühle waren zur Seite
geschoben, um Platz zum Tanzen zu schaffen, und alle saßen erwartungsvoll
bereit. Ich bildete mir ein, daß uns die ganze Corona fixierte, und das war
gewiß gar keine Einbildung. Einerlei, es galt jetzt, dem Colonel die Situation
zu erklären, und je eher wir damit fertig wurden, um so besser.
Er stand gerade dicht vor der
Bühne, wo er mit Miss Adams und Julian sprach. Ich fand sein Gesicht recht
bedrohlich, obwohl er sich, selbstverständlich, bestens beherrschte. Julian kam
sogleich auf uns zu und beglückwünschte uns wortreich, aber außer mir sah
keiner, wie er ganz kurz über Annes Kopf hinweg Larry zublinzelte. Er war ganz
der höfliche, aufmerksame Kavalier, der Anne mit seinem Charme gleichsam wohlig
umhüllte. Als handle es sich um die freudigste Begegnung der Welt, führte er
sie zu ihrem Vater. Der sprach noch mit Tantchen, die uns lebhafter begrüßte
als gewöhnlich und sichtlich rötere Wangen hatte als sonst.
»Sehr fein habt ihr das
gemacht, wirklich«, sagte sie, »ich bin ganz stolz auf euch alle. Habe mich den
ganzen Abend im Widerschein eures Ruhmes gesonnt. — Das Stück gehörte nämlich
zu meinem Programmteil, Colonel.«
»Der Masse hat es bestimmt
gefallen.«
»Bin ganz Ihrer Meinung.
Hauptsache, eine Darbietung findet Anklang, ob sie künstlerisch ist oder
nicht.« Und dann fuhr sie fort, während ihre Augen hinter den täuschenden
Gläsern des Klemmers unergründlich glänzten: »Ich bin mit Ihrem Vater nicht
einig geworden, Anne. Über den Schluß. Habe ihm erklärt, daß wir erst bei der
letzten Probe die Änderung beschlossen hatten. Ich persönlich fand, daß diese
Schlußszene mehr Eindruck gemacht hat als die vorherige, doch Colonel Gerard
bleibt dabei, sie sei zu demonstrativ gewesen.«
Das war, für Miss Adams, eine
sehr lange Rede, also ein Beweis, daß sie etwas nervös war. Doch sie hatte uns
das rechte Stichwort gegeben, wofür wir dankbar waren.
»Ich hielt die Szene für
vollkommen überflüssig«, sagte der Colonel unversöhnlich.
»Aber
Sie müssen auch den ländlichen Geschmack entsprechend berücksichtigen, Colonel.
Die Leutchen hier möchten alles gern ganz genau wissen«, sagte Julian
freundlich. Seine untadelig korrekte Aussprache des reinsten Oxforder Englisch
trug die Worte bis zu den ein Stück von der Bühne entfernt sitzenden Leuten.
Ich wußte nicht, ob ich ihn wegen seines gönnerhaften Auftretens hassen oder
ihm für seine Unterstützung dankbar sein sollte.
»Auf jeden Fall, Sir, bin ich
für die Vorstellung verantwortlich, als Regisseur. Ich hielt es für gut, den
schlichten Landleuten keine Probleme zu stellen — und ich glaube, es ist ein
Erfolg geworden.« Wieder sah ich dabei in seinen Augen das fast unmerkliche
Blinzeln, das Larry galt.
Ich fiel schnell ein: »Wir
konnten uns nicht schlüssig werden, ob wir es so machen oder den ursprünglichen
Schluß beibehalten sollten. Anfangs schien es uns richtig, der Phantasie
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