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Frühstück um sechs

Frühstück um sechs

Titel: Frühstück um sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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Rätsel —, und jeden Abend gegen sechs
kam Tim und schickte mich zu Bett. Er setzte sich dann ans Feuer und hielt Wache
bei Paul, der jetzt ernstlich krank war. Um zwei Uhr nachts stand ich auf und
löste Tim ab. Tim schlief wie ein Klotz bis acht, frühstückte rasch, und fort
war er, denn auch ihm brannte die Arbeit auf den Nägeln.
    Es waren anstrengende Tage und
fünf sehr sorgenvolle Nächte, der nächste Arzt wohnte in Te Rimu; er hatte
allein ein großes Gebiet zu betreuen, und gerade jetzt gab es zahlreiche
Grippefälle. Ich rief ihn täglich zweimal an, wollte ihn aber nicht den weiten
Weg kommen lassen, wenn es nicht unbedingt nötig wurde. Vermutlich wäre Paul
dann auch aufgestanden und hätte ihn mit dem Beil in der Hand empfangen.
    In dieser Zeit begriff ich so
recht, was eine Frau wie Miss Adams im »Hinterwald« wert ist. Die
Telefonverbindung nach Te Rimu sollte amtlich nur bis fünf Uhr nachmittags in
Betrieb sein und sonnabends und sonntags überhaupt nicht. Hätten wir eine
»normale« Posthalterin gehabt, die ihren Dienst nur in den vorgeschriebenen 48
Stunden versah, dann hätten wir, wenn wir so dumm gewesen wären, abends oder am
Wochenende krank zu werden, elend zugrunde gehen können. Aber nicht bei
Tantchen! Die schien eine Schlußzeit überhaupt nicht zu kennen und verstand es,
einen noch abends um neun ganz gemütlich anzurufen.
    »Na, wie geht’s dem Patienten?
— O ja, ich will mich gerade hinlegen, aber ich habe einen leichten Schlaf und
werde beim ersten Klingeln wach. Dann kann ich Sie, wenn Sie wünschen, in fünf
Minuten mit dem Doktor verbinden — was mir Paul freilich nicht danken würde,
denn er stellt sich ja so komisch an. Jedenfalls denken Sie daran, daß es mir
gar nichts ausmacht, geweckt zu werden. Ich bin dann in zwei Minuten wieder
weg, und es schadet mir bestimmt nicht.«
    Ich bin zwar überzeugt, daß
diese Behauptung nicht ganz der Wahrheit entsprach, doch bisher hatte es in
Notlagen keiner anders von ihr gehört.
    Anne meldete sich auch und bot
in sehr lieber Weise ihre Hilfe an, was wir aber dankend ablehnten. Wir hatten
einen ganz hübschen gefährlichen Bazillus entwickelt, den wir, wenn es irgend
ging, für uns behalten wollten. Larry sah das ebenfalls ein.
    »Richtig. Die Schafe versorge
ich mit Sam weiter, aber ins Haus werde ich nicht kommen. Wenn wir uns
ansteckten wäre niemand gedient. Es hat auch keinen Zweck, daß ich so tue, als
ob ich mich sehr zur Barmherzigen Schwester eignete. Bin doch gräßlich
unweiblich, das steht ja nun fest. Paul weiß das auch, er würde jede andere
lieber um sich haben als mich.«
    Und das stimmte. Erst heute
morgen hatte er in kümmerlich heiseren Tönen gesagt: »Was für Scherereien! Aber
ich bin froh, daß du bei mir bist und nicht Larry, denn die wirkt auf mich wie
ein Senfpflaster.«
    Tim benahm sich prima. Obgleich
er den ganzen Tag schwer zu arbeiten hatte, schien es ihm geradezu Vergnügen zu
machen, noch bis zwei Uhr nachts wach zu bleiben. Für mich war es eigentlich
keine große Zumutung, den Wecker auf diese Geisterstunde zu stellen, wenn ich
wußte, daß ich nachher in ein warmes Zimmer mit helloderndem Feuer kam, und Tim
mich heiter begrüßte: »Das Wasser kocht schon. Eine Tasse Tee wird dich munter
machen, und für mich wird sie zum Schlaftrunk.«
    In diesen fünf Nächten lernte
ich Tim noch genauer kennen als Sam. Bisher hatte ich nie ganz verstanden, wie
zurückhaltend und wie anspruchslos er war, und ich glaube, daß er selbst gar
nicht merkte, wie hübsch und sympathisch er war, offenbar frei von aller
Eitelkeit. Ich dachte über ihn und Anne nach und sagte mir: »Na, wenn ich eine
Tochter hätte, dann wüßte ich schon...«
    Nur einmal kamen wir auf die
Peinlichkeiten des Abends im Tanzsaal zu sprechen, gerade als es Paul am
schlimmsten ging und ich in der Nacht kaum geschlafen hatte. Ich war deshalb
schon um Mitternacht anstatt um zwei zur Ablösung erschienen und saß mit Tim
vor dem Feuer. Wir unterhielten uns zerstreut, ziemlich einsilbig. Er betonte
zwar, er sei nicht müde, doch ich wußte, daß er das nur vorgab, um mir noch
Gesellschaft zu leisten.
    Wir hatten darüber gesprochen,
ob ich den Arzt kommen lassen sollte. Ich fühlte mich schwach und hätte am
liebsten geweint, so merkwürdig einsam kam ich mir vor. Ich schaute aus dem
Fenster. Das Land lag in hellem Mondschein. Kaum ein Laut war zu hören, nur in
der Ferne das müde Blöken eines Mutterschafs, während in der Nähe eine

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