Frühstückspension: Kriminalroman
nicht viel Geld. Ich will nur meine Freiheit.
»Ja, es ist ungerecht«, antwortet Reinhard lakonisch. »So empfinde ich das auch. Ich strampele mich ab und versuche, die Firma zu retten, und du fährst in den Urlaub und willst die Scheidung. Erklär mir mal, von welchem Geld du leben willst.«
»Ich brauche nicht viel. Wir haben das Haus in Ricklingen. Die Hälfte der Miete würde mir reichen und dann würde ich mir …«
»Das Haus kannst du vergessen. Es ist mit einer Hypothek belastet.«
»Das Haus meiner Großeltern? Du hättest mich fragen müssen!«
Ich bin so fassungslos, dass mir die Worte fehlen. Reinhard hat das Haus ohne mein Wissen als Sicherheit eingesetzt.
»Da mussten schnell Entscheidungen getroffen werden. Sollte ich dich etwa vorher anrufen? Was soll das?
Aber weiter, was deine Zukunft betrifft, und apropos Hälfte. Natürlich gehört dir die Hälfte. Die Hälfte von allem. Zum Beispiel die Hälfte von unserem Schuldenberg.«
Er lacht. Dieses Mal klingt es unverhohlen gehässig.
»Wenn ich mir meine Sorgen und dein spätes …«, er sucht nach einem passenden Wort, »Coming-out betrachte, dann wird mir übel. Kotzübel. Du hast keinen Schimmer, was in der Realität abgeht. Davor habe ich dich immer bewahrt. Aber ich helfe dir mal auf die Sprünge. Du wirst von dem sogenannten Existenzminimum leben müssen. Es liegt jenseits deiner Vorstellungskraft, das kannst du mir glauben. Aber okay. Du ziehst das durch.«
Er beantwortet seine Frage selbst, bevor ich überhaupt Luft holen kann. »Du wirst davon bis zu deinem seligen Ende leben und bis dahin keinen müden Euro von dem Schuldenberg abgetragen haben. Stört dich wahrscheinlich nicht einmal. Aber Sandra wird sich bedanken. Sie sollte aufpassen, dass sie nicht zu viel verdient oder womöglich vermögend heiratet. Sonst wird sie für dich zahlen müssen. Abgesehen von den Schulden.«
Mein Gesicht brennt, als hätte er mich geschlagen. Ich fühle, wie meine Kraft mir entgleitet.
»Für dich doch wohl auch«, versuche ich mich zu wehren.
»Im Gegensatz zu dir habe ich einen Beruf. Als Ingenieur für Versorgungstechnik bekomme ich auch in meinem Alter noch eine Stelle. Ich kann für mich sorgen. Ich brauche nicht das Sozialamt zu bemühen. Durch die Schulden fällt eine Unterhaltszahlung an dich flach. Das sieht selbst unser Staat ein. Vielleicht gelingt es mir sogar, den größten Teil meiner Schuldenhälfte abzutragen, um Sandra zu schützen.«
In seiner Stimme liegt so viel Verachtung, dass ich alle Kraft brauche, um nicht augenblicklich in Tränen auszubrechen.
»Aber das Inventar? Die Firma ist doch nicht klein. Das kann doch nicht alles …« Mein kläglicher Versuch scheitert, weil mir die Stimme versagt.
»Doch, es kann«, antwortet Reinhard wieder völlig ruhig.
Meine Pläne, meine Kraft, mein Mut. Mit ein paar Sätzen hat er alles zerschmettert und ich stehe mit leeren Händen da. Nichts als Schulden, und Sandra soll dafür büßen. Ich weiß, dass ich das nicht kann. Und er weiß es auch.
Ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie laufen über mein Gesicht und tropfen vom Kinn auf meinen Pullover. Ich lasse sie.
»Allerdings ist noch nicht aller Tage Abend«, lenkt Reinhard sanfter ein. »Ich habe einen äußerst lukrativen Auftrag im Visier. Was sage ich, es ist der Auftrag. Ein dicker Fisch. Wenn ich den an der Angel habe, sind wir saniert.«
Er trinkt einen Schluck, und ich warte, worauf er hinauswill.
»Allerdings nicht mit einer Scheidungsklage am Hals. Das bekommen die Aasgeier zuerst mit. Sie setzen dummerweise privates Versagen mit beruflichem gleich.«
Ich begegne meinem Blick im Innenspiegel und sehe einem Gespenst ins Gesicht. Ich habe verloren. Alles nur ein Traum, ein kurzer Traum. Privates Versagen, denke ich bitter.
Reinhard legt seine Hand auf meine. Ich ziehe meine vorsichtig zurück. Er lässt mich und gibt mir Zeit. Er weiß, dass er gewonnen hat. In diesem Punkt kennt er mich wirklich genau.
»In Ordnung«, sagt Reinhard, sein Gesicht lächelt.
»Über unser Zusammenleben können wir uns sicher einigen. Aber lass uns erst einmal nach Hause fahren.«
Nach Hause, denke ich und muss an Tomke, die betrunkene Maike und an Jochen denken. Ich kann sie nicht allein zurücklassen.
»Ich kann hier noch nicht weg!«, sage ich und wische mir die Tränen mit meinem Pulloverärmel vom Gesicht.
»Bitte«, stöhnt Reinhard. »Jetzt fang nicht wieder von vorne an.«
»Du verstehst nicht«, widerspreche
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