Frühstückspension: Kriminalroman
Warum? Weil ich dir als Vertrauensbeweis meine Urlaubsadresse geben sollte.
Zugegeben: Ich bin gegangen, ohne sie dir zu geben. Aber dein Verhalten war unerträglich. Das konnte ich nicht honorieren.
Und du? Was hast du getan? Du hast nicht gewartet, ob ich mich abends melde oder vielleicht zurückkomme. Nein, du hast deine Tasche gepackt, diesen Spruch auf das Band gefaselt und bist kopflos weggefahren. Einfach so. Unterwegs hast du dann unser Auto zu Schrott gefahren, aber das nur am Rande.
Du hast dich während dieser Zeit weder gemeldet noch sonst ein Zeichen von dir gegeben. Was ich, nebenbei bemerkt, schon getan habe. Ich habe dich sogar gesucht. Komme mit Sekt und gutem Willen. Und was ist deine Antwort? Du willst die Scheidung. Nach 30 Jahren. Mach dich doch bitte nicht lächerlich. Wem willst du diesen Unsinn verkaufen? Einem Anwalt? Oder Sandra? Mir jedenfalls nicht.«
Sandra. Ihr Name legt sich wie ein Ring um meinen Magen. Sandra. Dabei hätte ich vorbereitet sein müssen. Es war klar, dass er sie da mit reinziehen würde.
Meine schwächste Stelle.
Ich recke mein Kinn. Sandra wird es verstehen oder verstehen müssen. Schließlich ist sie erwachsen, und ich nehme ihr nicht den Vater. Ich werde mit ihm einfach nicht über Sandra reden.
»Die Zeiten, in denen man einem Anwalt etwas verkaufen musste, sind zum Glück vorbei. Nebenbei bemerkt, will ich niemandem etwas verkaufen. Ich will mich schlicht und einfach scheiden lassen.«
Den letzten Satz pfeffere ich ihm regelrecht an den Kopf. Ich habe keine Lust, länger mit ihm zu reden. Die Zeit zum Reden ist vorbei. Er hat sie nie genutzt.
Reinhard schüttelt seinen Kopf und lacht ungläubig, als würde er seinen Ohren nicht trauen. Als habe eine Verrückte ihm ein ungeheuerliches Angebot gemacht. Er trinkt sein Glas leer und schenkt sich nach. Alles provozierend langsam. Mein Blut pocht hart gegen meine Schläfen. Ich muss mich beherrschen, ihm nicht das Glas aus der Hand zu schlagen.
»Ich fahre jetzt los. Halt dein Glas fest!«, fauche ich ihn an und starte den Wagen. Ich lege den Gang ein und würge den Motor beim Anfahren gleich wieder ab. Ein heftiger Ruck und wir stehen. Reinhard balanciert ungerührt sein Glas, ohne einen Tropfen zu verschütten. Er ist unverletzbar, denke ich verzweifelt und will neu starten. Da sagt er: »Teresa, du meinst das ernst mit der Scheidung, nicht wahr?«
Ich nicke heftig.
»Ja, absolut.« Meine Stimme bebt. Wie er gerade meinen Namen ausgesprochen hat, entgeht mir nicht. Warum macht er das? Das ist unfair. Das hat er seit Jahren nicht getan. Nicht in diesem vertrauten Ton.
»Gut, wie du meinst. Ich kann dich nicht zwingen, mit mir verheiratet zu sein«, höre ich ihn sagen und versuche vergeblich, einen falschen Klang herauszuhören. Sollte er mich wirklich in Frieden gehen lassen?
Der Ring um meinen Magen lockert sich nicht. Ich traue ihm nicht. Der Schwenk geht zu schnell. Ich habe damit gerechnet, dass er mich verspottet, mich an mein Alter erinnert und sich hinterher in eisiges Schweigen hüllt. Oder nimmt er meine Veränderung wahr? Spürt er, wie ernst ich es meine? Warum fragt er mich nicht, warum ich mich scheiden lassen will?
»Dir ist klar, wie es finanziell um uns steht?« Reinhards übergangslos harte Stimme schreckt mich hoch. Erneut schießt eine heiße Welle durch meinen Körper und lässt mich schwitzen.
»Nicht genau«, antworte ich verunsichert. »Ich denke, wir hatten schon bessere Zeiten.«
Reinhard lacht trocken, und ich füge zu meiner Verteidigung hinzu: »Du hast nie mit mir geredet.«
»Schon bessere Zeiten«, äfft er mich nach. »Nicht mit mir geredet. Ich werde Konkurs anmelden müssen. Zu deutsch: Wir sind pleite! Nicht mit dir geredet? Du hast dich nie für unsere finanzielle Lage interessiert, und außerdem bist du nicht belastbar.«
In meinem Kopf schwirren die Gedanken durcheinander. Ich spüre, dass er einen Plan hat. Er hat noch lange nicht aufgegeben. Der Krieg beginnt gerade erst.
»Das ist ungerecht«, widerspreche ich lahm. Ich will ihm nicht erklären, wie gerne ich mit ihm geredet hätte. Wie oft ich es versucht habe. Aber leise Töne hat Reinhard nie wahrgenommen. Vielleicht hätte ich schreien müssen. Aber so bin ich nicht.
Wenn ich anfinge, ihm das zu erklären, würde er es falsch deuten. Er würde annehmen, ich fordere nachträgliche Anerkennung und ich hätte noch immer mein altes Ziel: Ihm näherzukommen. Aber es ist vorbei. Ich werde gehen. Ich brauche
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