Frühstückspension: Kriminalroman
wartete auf sein Taxi. Ich spürte, wie diese Macht über mich ihn genauso sehr anwiderte, wie sie ihm Freude bereitete.
Als er ging, als die Tür ins Schloss fiel, war ich unfähig, weiter hinter ihm herzulaufen. Ich blieb auf dem Flur stehen. Dann kauerte ich mich auf den Teppich und weinte. Ich weiß nicht mehr wie lange.
Bis ich aufwachte und wusste, dass ich wegmusste. Genau wie er und auch allein. Wohin? An die Nordsee. Der Gedanke ließ mich weiteratmen. Die Sachen zusammenpacken und gehen.
Meine Nachricht auf dem Anrufbeantworter war die letzte Brücke, die ich Reinhard geschlagen habe. Die letzte, denke ich, und sehe ihn ruhig an.
»Warum hast du mir nicht geantwortet?«
Reinhard zieht seine Schultern hoch. »Warum? Warum? Weil ich mit hochgradig hysterischen Frauen nicht rede.«
Ich sehe ihn abwartend an, aber mehr Erklärungen kommen nicht. So einfach ist das für ihn.
»Ich war nicht hysterisch«, sage ich leise.
»Mir ging es sehr schlecht. Du hast mich allein gelassen. Mit meiner ganzen Angst alleingelassen.«
Reinhard sieht mich übergangslos sanft an. Und ganz direkt, als wäre er wirklich bei mir.
»Nein, du bist normalerweise nicht hysterisch. Lass uns nicht streiten. Ich bin nicht zum Streiten hergekommen. Ich habe eine Flasche eiskalten Sekt und noch einen Tag Zeit dabei.«
Jetzt klingt seine Stimme sogar zärtlich.
Ich spüre wieder die Hitze in mir. Die Angst, den einfacheren Weg zu gehen. Nichts zu verändern. Sei nicht feige, Teresa. Es wird Zeit, Farbe zu bekennen. Du wusstest, dass es schwer wird.
»Lass uns ein Stück spazieren gehen«, schlage ich vor und löse den Gurt.
»Also, das muss nicht sein. Ich würde lieber gemütlich hier mit dir sitzen bleiben und Sekt trinken und dann …«, seine Hand umfasst besitzergreifend mein Knie, »mit dir auf dein Zimmer gehen. So eine Frühstückspension hat sicher auch ihren Reiz.«
Er zwinkert mir zu.
Wie kann er so schnell umschwenken? Weil er mich nicht ernst nimmt. Er sieht mich einfach als seinen Besitz an. Er würde nicht einmal auf die Idee kommen, dass sich in mir etwas verändert haben könnte. Er meint, mich durch und durch zu kennen, und glaubt, wenn er den richtigen Knopf bei mir drückt, ist alles wieder gut.
»Lass das!«, fauche ich ihn an. Doch ich bin unfähig, mich gegen seine Hand zu wehren.
»Du bist ja wütend«, stellt Reinhard erheitert fest. »Wut steht dir ausgezeichnet.« Dabei gleitet seine Hand mit einem festen Druck über meinen Innenschenkel. Genau, wie ich es mag.
Warum konnte ich so lange so intensiven Sex mit ihm haben, obwohl ich schon so weit von ihm entfernt war? Vielleicht gerade deshalb? Die letzte Möglichkeit, ihm nah zu sein. Dabei bin ich ihm durch Sex keinen Millimeter näher gekommen. »Nähe kann man nicht herbeivögeln«, hätte meine Mutter gesagt. Der Gedanke an sie macht mich klarer.
Mit einer kurzen Bewegung verscheuche ich seine Hand wie ein lästiges Insekt.
»Was bildest du dir eigentlich ein? Du warst eine Woche verschollen, ohne Erklärung, ohne irgendetwas, und erwartest, dass ich dir übergangslos in die Arme sinke? Warum bist du eigentlich gekommen?«
Reinhard lacht. Er nimmt mich noch immer nicht ernst. Glaubt vielleicht an ein besonders ausgefeiltes Vorspiel.
»Sagen wir, ich hatte Sehnsucht nach dir. Und eine Woche Eremitendasein wirst du mir ja wohl verzeihen.«
Ich schüttele aufgebracht den Kopf: »Es geht nicht um eine Woche. Es geht um unser Leben, um uns und um …«
»Mach dich nicht lächerlich, Teresa«, unterbricht er mich schroff. »Was erwartest du von mir? Leidenschaftliche Liebeserklärungen? Soll ich auf die Knie? Von mir aus. Sag, was du hören willst.«
Ich antworte nicht, weil es mir unmöglich ist, meine Gefühle in Worte zu fassen.
Da sagt er: »Schenken wir uns das, oder? Wir sind aus dem Alter heraus, uns wie Kinder zu benehmen.«
»Ich fange gerade an, wieder ein Kind zu sein«, rutscht mir heraus.
Er lehnt sich zurück und schließt genervt die Augen: »Manche nennen diese Phase auch schlicht und einfach Klimakterium«, stellt er sachlich fest, ohne die Augen wieder zu öffnen.
Ich höre seine Worte. Sie tun mir nicht weh. Er hat als einzige Antwort auf meine Fragen Hormonschwankungen parat.
Selbstverständlich nur meine. Es verletzt mich nicht. Macht mich noch nicht einmal wütend. Ich schaffe es, denke ich glücklich. Ich schaffe es, mich von ihm zu trennen. Fast hätte ich ihn um ein Glas Sekt gebeten. Aber das werde ich später
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