Frühstückspension: Kriminalroman
verstehe das alles nicht«, lamentiere ich weinerlich. Diesen Ton hasse ich an mir, und ich spüre, er geht Tomke auch auf die Nerven.
»Das brauchst du auch noch nicht zu verstehen.« Sie packt mich resolut an den Schultern und dreht mich wieder in Richtung Wagen.
»Jetzt reiß dich zusammen!«
Sie kann nur mühsam ihre Ungeduld verbergen. Und sie hat recht. Ich sollte mich langsam zusammenreißen. Schließlich hat sie einen Plan. Solange ich keinen eigenen habe, sollte ich einfach ihren befolgen.
Es fängt an zu regnen. Ich bleibe stehen und schließe die Augen.
»Fahr endlich den Wagen in die Garage!«, treibt Tomke mich weiter an. »Von dort können wir ihn mit einer Schubkarre ins Haus transportieren.« Sie strahlt die Sicherheit einer Feuerwehr-Einsatzleiterin aus. Aber ihr Mut springt nicht auf mich über. Im Gegenteil, er macht mich noch hilfloser.
»Mach du das!«, flehe ich sie an. »Ich kann nicht noch einmal in den Wagen.«
»Du schaffst das. Immerhin hast du das Auto auch bis hierher gefahren«, erinnert mich Tomke ungerührt.
Wie habe ich das nur geschafft? Ich sehe mich wie in einem Film. Das kann unmöglich ich gewesen sein, die ihm die Regenjacke um den Kopf gewickelt hat. Die seinen Körper angeschnallt, sich neben ihn gesetzt hat und gefahren ist. Das Entsetzen scheint sich rückwirkend zu entwickeln und immer größer zu werden.
»Wo sind die Schlüssel?«, höre ich Tomke fragen.
»Ich glaube, die stecken«, antworte ich hastig, mit der vagen Hoffnung, sie könnte mir doch die Aufgabe abnehmen. Aber sie sagt nur: »Dann setz dich endlich rein und fahr! Worauf wartest du?«
Auf Schnee, antworte ich in Gedanken. Das hätte jedenfalls meine Mutter gesagt.
Tomke ist mit schnellen Schritten in der Garage verschwunden. Sie ist so engagiert, als ginge es hier um ihre Leiche und nicht um meine. Meine Leiche, denke ich. Was für ein absurder Gedanke. Mein Mann. War er einmal mein Mann? Hör auf, Teresa. Für solche Überlegungen hast du später Zeit. Nicht jetzt. Gib dir einen Ruck. Du schaffst das! Wann hat das zum letzten Mal jemand zu mir gesagt?
Ich öffne entschlossen die Fahrertür. Eine dichte Geruchswolke strömt mir entgegen und ich zucke zurück. Widerlich süß. Geronnenes Blut. Mir dreht sich augenblicklich wieder der Magen um. Hilfesuchend sehe ich zu Tomke. Doch die steht schon in der geöffneten Garage und wartet, beide Hände in die Hüften gestemmt. Keine Chance, mich zu drücken. Ich lasse die Fenster herunter und setze mich an den äußeren linken Rand des Fahrersitzes. Nicht so tief einatmen, denke ich. Und auf keinen Fall zur Seite schauen. Dabei werde ich das irrationale Gefühl nicht los, dass er mich beobachtet.
»Blödsinn«, spreche ich mir laut Mut zu. Der Klang meiner eigenen Stimme lässt mich zusammenfahren. Sie klingt hohl, als befände ich mich in einer Gruft.
Der Schlüssel steckt wirklich noch. Ich drehe ihn, der Motor wird gezündet, und ich lege den Gang ein. Mein Fuß zittert so stark, dass er keinen gleichmäßigen Kontakt zum Pedal halten kann. Ein Ruck – und der Wagen steht wieder.
Ich umklammere das Lenkrad und versuche, mich zu beruhigen. Wind fegt wohltuend frische Luft durch die beiden Fenster und macht das Atmen leichter.
Der nächste Versuch ist erfolgreich. Der Wagen beginnt, langsam zu rollen. Ich visiere das Ziel an und sehe starr geradeaus. Bloß nicht nach rechts. Einfach nur rein in die Garage und dann raus aus dem Auto. In der Garage lässt mich aufkommende Erleichterung für einen Moment meine Angst, ihm nahe zu kommen, vergessen. Meine Hand streift seine Schulter. Ich stoße einen spitzen Schrei aus. Er lacht: »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du mit dieser Nummer durchkommst?«
»Doch, das glaube ich!«, schreie ich ihn an, winde mich aus der Tür und stürze an der verdutzten Tomke vorbei nach draußen. Ich schaffe es gerade noch bis zum nächsten Blumenkübel, um dann im Schwall zu erbrechen.
»Jetzt ist die Margerite hin«, bemerkt Tomke trocken und stellt sich neben mich an die Hauswand. Gegen meinen Willen muss ich fast grinsen. Wie kann Tomke in dieser Situation noch so was wie Humor haben?
Sie zieht aus ihrer Hosentasche eine Tüte mit Pfefferminz und bietet mir ein Bonbon an.
»Hör zu, Teresa«, sagt sie ganz sanft und legt ihren Arm um meine Schulter.
»Ich habe in der Nacht, als ich Gerolds Leiche im Kofferraum hatte, auch geheult und gekotzt.«
Sie reißt sich nur zusammen, denke ich beschämt. Reißt sich
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