Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen
selbst hin und her geschubst. Eine junge Frau rammte ihr einen Kindersportwagen in die Waden, und als Meredith sich umdrehte, weil es weh tat, erntete sie einen bitterbösen Blick, der ihr unmißverständlich sagte, sie habe hier nichts verloren und sei nur im Weg. Die High Street prangte im Schmuck bunter Lichterketten und skelettartiger Weihnachtsbäume, die in der Abenddämmerung zum Leben erwachen würden. Aus mehreren Lautsprechern erklangen blecherne Weihnachtslieder, und in jedem Schaufenster – so kam es Meredith wenigstens vor – wurde man daran erinnert, daß man bis zum Fest nur noch vier Einkaufstage hatte.
Vor dem Blumenladen blieb Meredith stehen und blickte argwöhnisch in das Schaufenster. Wahrscheinlich, sogar mehr als wahrscheinlich, würde Alan Markby mit irgendeinem Weihnachtsgeschenk anrücken. Vielleicht gab er es ihr sogar schon heute abend, wenn er sie zum Essen abholte. Es wäre peinlich, ein Geschenk entgegenzunehmen, wenn man selbst keins hat. Ein Aftershave oder ein Deodorant wäre viel zu persönlich. Eine Pflanze hingegen? Er war ein begeisterter Gärtner. Meredith stieß die Tür auf und trat ein.
Der Laden ähnelte einem unordentlichen Gewächshaus. Weil man vor Weihnachten ein Rekordgeschäft erwartete, hatte man sich mit Vorräten eingedeckt, die jetzt jede einigermaßen gerade Fläche und beinahe den ganzen Boden verstellten. Die Luft war feucht und modrig. Es roch nach nassem Torfkompost und künstlichem Pflanzendünger. Aus dem Hintergrund des Ladens tauchte eine gehetzt aussehende junge Frau in einem rosa Overall auf.
»Ich möchte eine Topfpflanze«, erklärte Meredith. »Etwas, das Weihnachten blüht. Vielleicht etwas nicht Alltägliches?« Ihr Blick fiel auf eine Gruppe Weihnachtssterne. Sie schienen mit ihren roten Blättern ein bißchen zu naheliegend.
»Wieviel möchten Sie anlegen?« fragte das Mädchen praktisch.
»Ich weiß nicht. Wieviel muß man anlegen?«
Einige Pflanzen waren sehr teuer, wie sich herausstellte. Eigentlich die meisten. Sie verließ den Laden mit einem Weihnachtskaktus.
Als sie sich, beladen mit Einkaufstüte und der verpackten Pflanze, in das Gewühl auf dem Gehsteig stürzte, merkte sie plötzlich, daß jemand sie ansprach.
»Entschuldigen Sie!« sagte eine Stimme energisch. »Haben Sie einen Moment Zeit?« Ein langer, spindeldürrer Jugendlicher in einem schmuddeligen ehemaligen Militärmantel, Jeans und einer wolligen Mütze, drängte sich zu ihr durch. Er war unrasiert, nicht besonders sauber und schien schwer unterernährt zu sein, doch die Stimme klang gebildet. »Würden Sie unsere Petition unterschreiben?« fragte er aggressiv.
Sie sah jetzt, daß er ein Klemmbrett in der Hand hielt. »Um was geht’s denn?« fragte sie mißtrauisch.
»Darum, daß die Jagd auf Gemeindeland verboten wird.« Er hielt ihr das Klemmbrett ungeduldig entgegen, als finde er ihre Fragen kleinlich und pedantisch.
Die Menge wimmelte um sie herum, und sie bemühte sich, in dem, was er sagte, einen Sinn zu finden. »Was soll gejagt oder vielmehr nicht gejagt werden?«
»Füchse. Oder anderes Wild. Aber vor allem Füchse. Wegen der Jagd, die hier stattfinden soll.«
»Ich hab gar nicht gewußt, daß es eine gibt.« Jemand prallte gegen ihre Schulter, und sie ließ fast den Kaktus fallen. »Hören Sie«, sagte sie, »ich habe keine Hand frei, und ich weiß nicht, um was es geht …«
»Um die Bamford-Jagd«, sagte er störrisch. »Sie brauchen nur hier zu unterschreiben.« Er schob ihr das Klemmbrett unter die Nase. An einer Schnur hing ein Bleistiftstummel, das Papier der Liste war schmutzig, die meisten Unterschriften unleserlich. »Wenn wir sie vom Gemeindeland fernhalten können, wird es für sie fast unmöglich, die Jagd abzuhalten. Es ist nicht richtig, blutige Sportarten sind ein Unrecht. Unmoralisch. Wir alle sollten uns dagegen wehren.« Er brachte sein backenbärtiges Gesicht dicht an das ihre heran. Offensichtlich hatte er das Gefühl, daß ihm Zeit verlorenging, denn während er ihr alles erklärte, konnte er keine Unterschriften sammeln.
»Ich weiß nichts über die Bamford-Jagd«, sagte Meredith, die ihn plötzlich unattraktiv und aufdringlich, sein Benehmen schikanös fand; ihr mißfiel, daß er voraussetzte, sie müsse seiner Meinung sein, und ihr mißfiel die Arroganz, mit der er es unterließ, ihr einen Grund zu nennen, warum sie tun sollte, was er verlangte.
»Hier, nehmen Sie ein Flugblatt.« Er hielt ihr eins hin, der Druck war miserabel.
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