Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen
»Unterschreiben Sie die Petition, jede Unterschrift hilft. Es ist unrecht. Die Fuchsjagd ist ein Unrecht.«
»Sie mögen recht haben oder auch nicht«, sagte sie. »Ich habe nie darüber nachgedacht. Und gewiß werde ich nichts unterschreiben, bevor ich nicht gründlich nachgedacht habe. Also, wenn Sie nichts dagegen haben – ich werde mir Ihr Flugblatt zuerst einmal durchlesen«, fügte sie im Geist weihnachtlichen Friedens hinzu.
»Sind Ihnen wildlebende Tiere und wildwachsende Pflanzen egal?« fragte er wütend. »Ist Ihnen gleichgültig, wie barbarisch die Jagd ist? Finden Sie, daß Tiere nicht wichtig sind? Das sollten Sie nicht, denn sie sind es. Und Sie sollten unterschreiben. Alle sollten unterschreiben!« Er musterte sie mit glitzernden Augen, in denen groß sein Urteil stand. Nichts hätte Meredith jetzt bewegen können, sein Gesuch zu unterschreiben. Sie mochte ihn nicht. So einfach war das.
»Ich mag Tiere, aber ich mag es nicht, gesagt zu bekommen, was ich tun soll, bevor ich die Möglichkeit hatte, mir selbst eine Meinung zu bilden.« Unwirsch drängte sie sich an ihm vorbei.
Er sah sie wütend an und latschte weiter, um ein anderes Opfer für sein Klemmbrett und seine Flugblätter zu finden. Er hatte Glück, eine dralle junge Frau kam ihnen entgegen. Sie hatte eine Mähne kastanienroter Haare, und ihre selbstsichere Haltung grenzte an Arroganz. Sie war nicht geschminkt, hatte klassische Züge, eine gerade Nase, volle Lippen und schöne Augen. Sie trug ein ziemlich abgetragenes Jackett, eine eng sitzende Reithose und Reitstiefel. In dem Jargon, den sie verstanden hätte, war sie reinrassig. Ein Vollblut mit Vater und Mutter im Zuchtbuch.
Er würde doch nicht, dachte Meredith bestürzt über seine Unverfrorenheit. Er konnte nicht …
Doch er tat es. Der Gegner aller blutigen Sportarten verstellte der Amazone den Weg und schwenkte sein Klemmbrett. Meredith konnte nicht hören, was gesprochen wurde, doch sie erriet es mehr oder weniger. Die Stallhof-Bruderschaft ist selten um ein bildhaftes Wort verlegen. Die kastanienrote Reiterin hielt dem jungen Mann eine markige Rede, gab ihm, der unter seinem Backenbart scharlachrot geworden war, keine Gelegenheit zu antworten und stieß ihn mit solcher Kraft zur Seite, daß er zurückgeworfen wurde, an der Tür von Woolworth’s wieder abprallte
– und ging weiter.
»Ich hätte Ihnen sagen können, was passieren würde«, sagte Meredith mitleidlos zu ihm.
Er warf ihr einen bösen Blick zu und sah der jungen Frau mit einem noch böseren nach. »Aufgeblasenes Miststück!« sagte er. Dann fügte er leise hinzu, als spreche er mit sich selbst: »Wartet nur … Wartet nur ab, bis ihr’s am zweiten Weihnachtsfeiertag versucht …« Er trottete weiter.
Meredith vergaß ihn, nachdem sie sich noch einmal in den Supermarkt gewagt hatte. Von da an war jeder nur noch Einzelkämpfer. Sie begann höflich »entschuldigen Sie bitte« und versuchte ihren Einkaufswagen um die Leute herumzumanövrieren. Aber ihr wurde sehr schnell klar, daß das vergebliche Liebesmüh war. Der Wagen hatte auch einen eigenen Willen und die Neigung, sich wie eine Krabbe seitwärts zu bewegen. Allein die Unmengen der angebotenen Waren verstärkten ihr Gefühl des Verirrtseins und der Frustration. Sie hatte schließlich mehrere Jahre in einem Land gelebt, in dem der Mangel zum täglichen Leben gehörte und die Auswahl an Waren gering war. Das diplomatische Corps hing stark von Waren ab, die eigens von der Botschaft importiert wurden, oder von en-bloc-Bestellungen bei Firmen, die darauf spezialisiert waren, die ständig im Ausland lebenden Landsleute mit allem zu versorgen, was sie brauchten. Jetzt unter drei oder vier verschiedenen Sorten von Büchsenfleisch und einem halben Dutzend im Überfluß aufgestapelter Kaffeedosen wählen zu müssen, war verwirrend. Sie fand es schockierend, als sie hörte, daß Mütter ihre kleinen Kinder fragten, was sie haben wollten, und die oft willkürliche Auswahl des Kindes noch zu den Waren packten, die sich schon im Einkaufswagen türmten. Nach fünf Minuten war Meredith nicht nur so verschwitzt und gestreßt und übellaunig wie alle anderen, sie war auch wütend, weil die Menschen anscheinend nicht zu schätzen wußten, was sie hatten. In eine Wolke selbstgerechter Empörung gehüllt, stand sie in der Schlange an der Kasse, und ihr Ärger wurde noch größer, als sie entdeckte, daß sie das Spülmittel vergessen hatte.
»Verdammt!« sagte sie laut.
»Etwas
Weitere Kostenlose Bücher