Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen
feste, dauerhafte Beziehung.
Aber, dachte sie bedauernd, eine vorübergehende hat unleugbar ihre Reize … Das Bett sah ungewöhnlich bequem aus, und sie ertappte sich dabei, daß sie wieder an Alan Markby dachte; sie überlegte, ob sie ihn anrufen und ihm sagen sollte, daß sie angekommen war – und sich für die Karte bedanken? Weihnachten sollte man mit Freunden verbringen, nicht allein. Schließlich, sagte sie sich trotzig, vorübergehend muß ja nicht zu dauernd werden. Alan war auch nicht der dickfellige Egoist, der sich einbildete, das kleinste Zeichen der Freundschaft von einer Frau signalisiere eine verzehrende Leidenschaft. Wenn sie eine Zeitlang in Pook’s Common blieb, mußte sie sich wenigstens ein Minimum an gesellschaftlichem Leben schaffen. Dazu mußte sie jedoch auf das schwache Fundament zurückgreifen, das bei ihrem letzten Besuch entstanden war, und sie würde sich nach Bamford orientieren müssen. In Pook’s Common selbst schien nicht allzuviel loszusein.
»Dieser Ort«, stellte sie laut fest, »ist tot.«
Ihre Rückkehr war am Sonntag vorher an anderer Stelle Gesprächsthema gewesen.
»Du kannst Weihnachten nicht allein verbringen, Alan«, sagte seine Schwester vorwurfsvoll. »Weihnachten ist ein Familienfest.«
»Was du nicht sagst«, erwiderte Alan Markby düster. Sein Blick schweifte zu einem von einer Zeitung verdeckten Buckel auf dem Sofa, der seinen Schwager verkörperte. Die Zeitung hob und senkte sich sanft und regelmäßig. Markby lenkte den Blick zu seiner Schwester zurück, die sich, die Füße unter sich gezogen, in ihrem Lehnsessel zusammengerollt hatte, und lächelte. Laura trug einen leuchtend roten Pullover und schwarze Kordhosen. Das lange blonde Haar lockte sich um ihre Schultern. Sie war kurzsichtig, und auf ihrer Nasenspitze saß eine überdimensionale Brille, die sie aber nur besonders liebenswert aussehen ließ.
»Du siehst nicht wie ein Adler, sondern wie eine weise Eule des Gesetzes aus«, sagte er.
»Im Moment denke ich mehr familien- als berufsbezogen, muß ich gestehen. Weihnachten ist immer so viel zu tun.« Unter der Zeitung drang ein Schnauben hervor. Nachdenklich betrachtete Laura ihren schlafenden Gatten. »Du kommst doch wenigstens am Weihnachtstag zu uns, nicht wahr, Alan? Du darfst – nein, wirklich, du darfst ihn nicht ganz allein verbringen und dich nur mit deinen Pflanzen unterhalten. Paul kocht, das Essen wird also gut sein. Er hat von irgendwoher ein Rezept für einen Truthahn mit Kastanienfüllung bekommen und hat unendlich viel Zeit damit verbracht, die Torte zu dekorieren.«
Markby machte ein zweifelndes Gesicht. »Nun ja, Laura, du weißt, ein paar meiner Kollegen sind verheiratet und haben Kinder, und da scheint es mir nur fair, ihnen den Weihnachtstag freizugeben und selbst zu arbeiten. Morton und seine Frau haben vor kurzem ein Baby bekommen. Soviel ich verstanden habe, hat das Baby etwas, das sie ›Sechsmonats-Kolik‹ nennen, und seine Frau leidet an einer Depression, wie sie nach einer Geburt immer wieder vorkommt, aber Weihnachten wird er trotzdem gern zu Hause sein, nehme ich an …«
»Du brauchst nicht dort zu sein – solange sie deine Telefonnummer haben und dich erreichen können. Du bist Chef der Kriminalabteilung, nicht der Mann fürs Grobe. Du willst doch wohl nicht an deinem Schreibtisch sitzen und Protokolle wegen entlaufener Kätzchen aufnehmen? Natürlich nicht. Falls nicht jemand eine Bank ausraubt oder seinen Liebhaber umbringt, bist du überflüssig.«
»Wieso glaubst du, daß es Weihnachten keine Gewaltverbrechen gibt, Laura? Es ist die Zeit im Jahr, in der Gewalttaten im Familienkreis fast am häufigsten vorkommen. Wie viele Klienten kommen nach Neujahr zu dir und wollen die Scheidung, sagen, daß Weihnachten der Tropfen war, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat?«
Sie ließ sich nicht abschrecken. »Ich erwarte dich am Weihnachtstag gegen zehn. Wir decken für dich. Die Kinder rechnen mit dir.«
Mark rutschte in seinem Sessel hin und her. »Um die Wahrheit zu sagen – und mach nicht schon wieder mehr daraus, als es bedeutet –, ich habe eine Freundin, die sich zur Zeit in der Nähe von Bamford aufhält, und ich dachte mir eigentlich …«
Die Augen seiner Schwester hinter den riesigen Brillengläsern funkelten, als habe sie eben in einem Vertrag ein Hintertürchen entdeckt. »Meredith Mitchell! Du hast immer gesagt, du wüßtest nicht, ob sie kommt, du abscheulicher Lügner. Du hast dich Weihnachten mit
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