Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen
nicht zuviel erwartet, daß einer weiß, daß es unrecht ist, alte Damen zu überfallen, aber ich bin ja nur ein Bulle. Deanes sagt, es sei ein Hilfeschrei.«
Chefinspektor ist ein bißchen mehr als ein Bulle, dachte Meredith belustigt, weil er sich offensichtlich selbst degradierte. Ihrer Erfahrung nach war er sich seiner Kompetenz durchaus bewußt.
»Wie bescheiden«, neckte sie ihn sanft.
»Ein Staatsdiener, das bin ich. Das sind auch Sie. Sie sollten genauso wissen wie ich, daß der Staat ein sehr schwieriger Herr sein kann.« Er nahm einen ordentlichen Schluck Bier und setzte den Krug wieder ab.
»Hm, ja. Ich nehme an, Sie hatten schon mit Mr. Deanes zu tun?«
»Er hat auf dem Gemeindeland mitten im Nirgendwo ein altes Farmhaus gemietet, hinter Ihrem Haus und noch abgeschiedener, ob Sie’s glauben oder nicht. Dort hat er sein letztes Buch geschrieben. Von Zeit zu Zeit taucht er in Bamford in der Dienststelle auf und stielt mir meine Zeit, sucht nach Material. Er würde es Forschung nennen. Es ist unmöglich, irgend etwas mit ihm zu diskutieren. Er sieht nicht über seine Scheuklappen hinaus. Ich würde sagen, er hat das Herz auf dem rechten Fleck, wenn ich es nicht bezweifeln müßte, weil er so wenig Mitgefühl für die Opfer seiner jungen Übeltäter hat. Ich bin nicht dagegen, daß jemand versucht, junge Menschen auf den rechten Weg zurückzubringen, aber Menschen wie Deanes schirmen sich gegen jede andere Meinung ab, kennen nur die eigene. Er scheint zu vermuten, daß ich ungefähr so liberal denke wie Dschingis Khan, und das Schlimmste ist, wenn er mit mir spricht, klingt das, was ich sage, tatsächlich so, als sei ich der größte Reaktionär. Er fordert es heraus. Ich vertrete dann Standpunkte, von denen ich selbst nicht überzeugt bin, und verteidige sie bis aufs Messer. Selbst wenn ich mit ihm übereinstimme, macht er es mir unendlich schwer, das zu sagen.«
Meredith lächelte über seine zunehmende Heftigkeit. Das war der Alan Markby, den sie in Erinnerung hatte. Beinahe hätte sie etwas zu dem größten Vorwurf gesagt, den er Deanes machte. Es war ein bißchen so, als schimpfe ein Esel den anderen Langohr. Zur Zeit des Giftmordes in Westerfield hatte er es ihr manchmal schwergemacht, mit ihm übereinzustimmen, und mehr als einmal hatte er sie mit seiner Haltung verärgert. Vielleicht, dachte sie reuig, bin ich einfach nur leicht reizbar. Sie erinnerte sich an den jungen Mann, der heute morgen auf der Straße Unterschriften gesammelt hatte. Er hatte es nicht böse gemeint, aber schon wenige Worte von ihm hatten sie gegen ihn aufgebracht. Bei näherer Überlegung hatte sie ihn zu rasch verurteilt und bedauerte es jetzt.
»Ich bin«, sagte sie, »heute jemandem begegnet, der ungefähr die gleiche Wirkung auf mich hatte wie Deanes auf Sie.« Sie erzählte ihm von dem Kämpfer gegen die blutigen Sportarten. »Er war wirklich ein harmloser junger Mensch, der nur versucht hat zu tun, was er für richtig hält. Aber er hat es so ungeschickt angefangen. Er hat mich verärgert, und ich habe seine Petition leider nicht unterschrieben.«
»O ja«, sagte Markby, »das Jagdtreffen am zweiten Weihnachtsfeiertag.« Er schien froh, ein anderes Thema gefunden zu haben. »Die Teilnehmer der Bamford-Jagd versammeln sich am zweiten Weihnachtsfeiertag immer auf dem Market Square, und nachdem sie ein oder zwei steife Drinks gekippt haben, setzen sie sich, von der einheimischen Bevölkerung bestaunt, für einen Tag voll sportlicher Betätigung in Bewegung. Es ist möglich, daß wir’s in diesem Jahr mit Jagd-Saboteuren zu tun bekommen. Sie versuchen die Hunde von den Fährten abzulenken und auch sonst alles durcheinanderzubringen. Vielleicht erscheinen sie in voller Besetzung auf dem Market Square.«
Die Rückkehr zu einem jahreszeitlich bedingten Thema schien ihn ermutigt zu haben, über etwas zu sprechen, das ihn offensichtlich beschäftigte. »Wegen Weihnachten. Der Grund, warum ich Sie eben gefragt habe, was Sie vorhaben, ist der, daß meine Schwester Laura – Sie erinnern sich doch an sie, nicht wahr? Sie ist Partnerin in einer Anwaltskanzlei auf der High Street – nun ja, gemeint hat, Sie würden vielleicht gern zum Weihnachtsessen zu uns kommen. Das Essen wird bestimmt nicht zu verachten sein«, fügte er hastig hinzu, »weil mein Schwager Paul immer kocht. Kochen ist sein Beruf. Er schreibt Kochbücher.«
»Das ist sehr nett von Laura«, sagte Meredith zweifelnd.
Er hörte den Zweifel heraus. »Sie müssen nicht.
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