Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen
bleiches,
unheimliches Licht auf die Cottages, die Bäume und die Felder dahinter. Die Felder glänzten überirdisch silbern, die Bäume hoben kahle, gequälte Äste gen Himmel. In keinem Fenster war Licht. Aber die Hälfte der Häuser stand ohnehin leer. So wenige Menschen. Sie selbst, Harriet, Joe Fenniwick und seine Frau und möglicherweise die Haynes, die doch über Nacht geblieben waren. Sechs Seelen. Ganz allein. Die Gesamtbevölkerung von Pook’s Common. Die menschliche Bevölkerung jedenfalls. Merediths Atem hatte die Fensterscheibe beschlagen, und sie rieb einen Kreis hinein. Das genügte nicht. Sie öffnete das Fenster ganz und schauderte, als ihr die Nachtluft eisig durch das dünne Nachthemd drang. Sie schaute nach rechts, zur Kreuzung an der Landstraße. Nichts. Sie schaute nach links, in Richtung von Pook’s Stallungen Nichts.
Wieder nach rechts … Mein Gott, da war es! Fliehende Wolken hatten vorübergehend den
Mond verdeckt, doch jetzt huschten sie zur Seite und
enthüllten vor dem Horizont die schwarze Silhouette
eines Pferdes. Es hob sich, den Kopf zurückgeworfen, mit fliegendem Schweif und lauschend aufgestellten Ohren, vom silbergrauen Hintergrund an der
Kreuzung ab. Während Meredith das Tier mit angehaltenem Atem beobachtete, bäumte es sich auf,
schlug mit den Vorderhufen in die Luft, rannte dann
los und verschwand hinter einer Erhebung aus ihrem
Blickfeld.
Meredith schloß das Fenster und setzte sich auf
die Bettkante. Sie hatte weiche Knie und zitterte. Es
war schön und gut, bei hellem Tageslicht und in Gesellschaft über uralten Aberglauben zu lachen. Vor
Morgengrauen und ganz allein war es eine andere
Sache. Pook’s Common. Der Ort hieß nicht ohne
Grund so.
Meredith ging hinunter und machte sich eine Tasse Tee. Hinterher ging es ihr besser. Aber sie würde
keinem sagen, was sie zu sehen geglaubt hatte, am
allerwenigsten Alan. Er würde sie für verrückt halten. Oder denken, sie habe geträumt. Aber es war
kein Traum gewesen.
Der Weihnachtstag fiel auf einen Mittwoch. Meredith hatte Markby gesagt, sie wolle am Weihnachtsmorgen, bevor sie zu Laura kam, lieber in Westerfield in die Kirche gehen, wenn es ihm nichts ausmache, daher fuhr er nach dem Frühstück aus Bamford herüber, um sie zu begleiten. Sie gingen aus Pook’s Common über die im Frost erstarrten Felder zu Fuß hinüber.
Es war zu spät, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen, ob jemand sich irgend etwas dabei dachte, daß sie Weihnachten mit den Danbys feierte, und nun, da der Tag angebrochen war, freute sie sich darauf, in Gesellschaft zu sein, besonders nachdem sie in dieser Nacht etwas gesehen hatte – was immer es gewesen war. Aber die Erinnerung an das geisterhafte Pferd und eine gewisse Nervosität, die sie nicht leugnen konnte, wenn sie daran dachte, daß sie jetzt bald die Danbys kennenlernen sollte, flößten ihr leichtes Unbehagen ein. Markby fragte zweimal, ob ihr kalt sei, und sie wußte, daß er etwas gemerkt hatte und höflich versuchte zu erfahren, was nicht in Ordnung war. Sie versicherte ihm, ihr sei warm, und sie fühle sich wohl, denn er sollte nicht auf den Gedanken kommen, sie bereue ihr Versprechen, den Weihnachtstag bei den Danbys zu verbringen. Wahrscheinlich dachte er es ohnehin, aber das war nicht zu ändern. Sie war froh, als die Kirche von Westerfield vor ihnen auftauchte, und spürte, daß er genauso erleichtert war.
Die Kirche wurde nicht regelmäßig benutzt und hatte keinen eigenen Vikar, doch hin und wieder fanden hier Gottesdienste statt, und jetzt, an Weihnachten, hatte sich ein älterer Geistlicher bereit erklärt, um halb zehn mit Unterstützung eines Chors aus dem Fraueninstitut ein gesungenes Abendmahl zu feiern. Viele Leute waren gekommen. Die Wagen parkten vor der Kirche auf dem Grasrand. In der klaren Luft hallten die Stimmen der Kirchgänger wider, die sich frohe Weihnachten wünschten.
Markby nickte in Richtung der Leute, die vor ihnen über den Plattenweg zur Kirchentür schritten. »Gut besucht.«
»Zum Glück regnet es nicht.«
»Es soll sich halten.«
Wieder war das Wetter die Rettung.
Der ältere Geistliche stand im Chorrock an der
Tür und begrüßte die Gläubigen. Tatsächlich war er schon sehr alt, weißhaarig, mit rosigen Wangen und sehr zerbrechlich aussehend.
»Er sollte bei dieser Kälte nicht in der Vorhalle
stehen«, sagte Meredith leise, als sie auf ihn zugingen.
Sie erreichten ihn, und er reichte ihnen nacheinander mit strahlendem Gesicht die Hand und
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