Fuchs, Du Hast Die Gans Gestohlen
nicht stark genug. Ich hänge ihn wieder auf, sobald ich ein paar Nägel finde
– aber vielleicht sollte ich dem Doktor keine Nägel in die Tür schlagen. Schließlich habe ich nur gemietet.«
»Schade, daß er runtergefallen ist«, sagte Mrs. Brissett bedauernd. »Hab ihn vorige Woche auf dem Markt gekauft – und so billig. Hängen Sie ihn lieber irgendwo im Haus auf. Ich bring noch ein paar andere Sachen. Habe Unmengen zu Hause, Papierketten und eine schöne, große chinesische Laterne, und auf dem Speicher steht noch ein großer Plastikweihnachtsmann – oh, mindestens sechzig Zentimeter hoch –, der hält sich den Bauch und lacht. Ich könnte ihn rüberbringen und in Ihr Vorderfenster stellen.«
»Ich möchte Sie wirklich nicht berauben, Mrs. Brissett«, sagte Meredith hastig.
»Macht mit keine Mühe. Das Haus wird dann ein bißchen lustiger aussehen, besonders da Sie allein hier wohnen. Sie sind Weihnachten allein, nicht wahr?«
»Wahrscheinlich. Es macht mir aber wirklich nichts aus.«
»Würde mir nicht gefallen. Meine Enkelkinder kommen zu mir.«
»Was haben Sie für die Lebensmittel im Kühlschrank ausgelegt?« fragte Meredith, um ein Thema zu beenden, das auf eine offene Einladung zusteuerte, während der Feiertage bei den Brissetts vorbeizuschauen. Sie streckte die Hand nach ihrer Umhängetasche aus, die auf dem Tisch lag.
»Muß nicht gleich sein, meine Liebe. Ich komme morgen. Putze dienstags und freitags hier und montags und donnerstags bei Miss Needham. Bin nur vorbeigekommen, um zu sehen, ob Sie die Heizung in Gang gebracht haben.«
»Ja, vielen Dank.« Offenbar hatte sie zumindest eine Nachbarin, Miss Needham, bei der Mrs. Brissett ebenfalls putzte.
»Sie braucht nicht lange, um durchzuheizen«, fuhr Mrs. Brissett fort. »Diese alten Mauern sind einen halben Meter dick und halten die Hitze wundervoll. Und im Wohnzimmer gibt es außerdem ein Gasfeuer. Das würde ich auch anzünden. Oh, und ich habe ein Bett vorbereitet, aber ich an Ihrer Stelle würde eine Wärmflasche hineintun.«
»Danke«, sagte Meredith noch einmal und unterbrach energisch die Flut von Anweisungen.
»Also gut.« Endlich machte Mrs. Brissett Anstalten zu gehen. »Wir sehen uns morgen. Ich komme um halb neun und gehe gewöhnlich gegen zwölf. Hab meine eigenen Schlüssel, wissen Sie.«
»Fein, danke. Ich habe Urlaub – Ferien – bis nach Weihnachten, werde also hier sein. Morgen allerdings fahre ich wahrscheinlich nach Bamford, um meine Vorräte zu ergänzen.«
»Fahren Sie früh«, riet Mrs. Brissett. »Wenn Sie einen Parkplatz finden wollen. Markttag, denken Sie dran.« Sie ging und schloß geräuschvoll die Tür hinter sich. Ein regelmäßiges, allmählich schwächer werdendes Quietschen ließ darauf schließen, daß sie mit dem Fahrrad gekommen war, höchstwahrscheinlich aus Westerfield.
Meredith seufzte vor Erleichterung tief auf. Doch mit einem hatte Mrs. Brissett recht, das Cottage war schon spürbar wärmer. Meredith öffnete den Reißverschluß ihres Anoraks und machte sich daran, das restliche Haus zu inspizieren. Unten war außer der Küche und einer winzigen Garderobe nur das Wohnzimmer. Sie stieg die Wendeltreppe hinauf und fand sich auf einem winzigen Treppenabsatz wieder. Das Badezimmer, sehr beengt, zu ihrer Rechten und zwei Schlafzimmer, den unteren Räumen entsprechend. Mrs. Brissett hatte freundlicherweise das Bett im größeren über dem Wohnzimmer aufgeschlagen. Darin stand ein Doppelbett, offensichtlich war es das Schlafzimmer der Russells. Meredith rümpfte zweifelnd die Nase bei dem Gedanken, in einem fremden Ehebett zu schlafen. Sie ging hinüber und setzte sich auf die Bettkante. Es war ein hübscher Raum mit Deckenbalken und einem lustigen kleinen Dachfenster. In einer Ecke stand ein spätviktorianisches Waschbecken samt Krug. Unter die Dachstreben war ein Kleiderschrank eingebaut. Meredith breitete die Hand auf dem geblümten Überzug des Federbettes aus. Sie war froh, daß Peter hier zu einem neuen Leben gefunden hatte. Aber sie verstand auch, daß die noch jung verheirateten Russells Pook’s Common verlassen hatten und nach Dubai gegangen waren. Um einen neuen Anfang zu machen, mußte man manchmal weggehen und unter Fremden beginnen.
Meredith freute sich für die Russells. Sie brauchten einander, stützten sich gegenseitig. Doch was richtig für die beiden war, würde nicht unbedingt für sie richtig sein. Sie war es gewohnt, allein zu sein, sich allein durchs Leben zu schlagen. Sie brauchte keine
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