Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fuchserde

Fuchserde

Titel: Fuchserde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
Vom Netzwerk:
Freilich war das, bevor Luca dem betagten Gaul die Distel in den Arsch geschoben hatte. Das Ross machte daraufhin einen gewaltigen Satz nach vorn und legte mit einem jungen – und von Luca vorgewarnten – Reiter am Rücken einen rabiaten Sprint hin, wie ihn der staunende Bauer und seine Söhne noch nie zuvor gesehen hatten. Die knapp davor in das Fell des Gauls eingeriebene Schuhcreme sorgte außerdem dafür, dass das brave Pferd in der Mittagssonne glänzte wie ein Rassevollblut.
    »Ich nehme ihn«, sagte der Bauer und schlug in die offene Hand von Luca Resulatti. Hinterm Waggon versteckt hielten sich die Zirkusleute in gekrümmter Haltung und teils am Boden liegend ihre Nasen und Münder zu, um vor Lachen nicht loszubrüllen.
    »Einverstanden«, sagte Luca Resulatti. »Ich verspreche dir, über diesen außergewöhnlichen Kauf werden noch deine Urenkel reden.«
     
    Luca hatte es von Anfang an verstanden, den Zirkusbetrieb in der wirtschaftlich immer trostloser werdenden Zeit um allerlei Gelegenheitsgeschäfte auszuweiten. Einmal fragte ein Bauer nach günstigem Rosshaar. Luca Resulatti versprach, ihm ein prächtiges Büschel bei seinem Hof vorbeizubringen, sobald sie mit dem Zirkus gegen Abend weiterziehen würden.
    »Aber wir haben doch gar kein Rosshaar«, sagte Anna, die jüngere seiner Cousinen und seit vielen Wintern Lucas Frau, als der Bauer außer Hörweite war. Luca setzte ein schelmisches Gesicht auf. »Wir haben kein Rosshaar? Na und, hast du nicht gesehen, dass der Gadscho selbst einen Hengst mit einem prächtigen Schweif im Stall stehen hat?«, erwiderte Luca, warf sein geschliffenes Messer in die Höhe, sodass es die warme Luft mit ein paar Drehungen durchschnitt, und fing es am Griff sicher wieder auf.
    »Das kannst du nicht machen«, warnte Barbara, die ältere der beiden Schwestern, ihren Cousin und zog ihn am Ärmel. »Das wird ihn rasend machen!«
    »Ach wo«, machte Luca eine abwiegelnde Handbewegung. Er grinste seinen Cousinen spitzbübisch in ihre hübschen Gesichter. »Glaubt mir, das macht ihn nicht rasend. Dem Hengst ist das völlig egal.«
    Am nächsten Morgen, das Geschäft mit dem Rosshaar war abgewickelt, der Zirkus längst über alle Berge, fand der Bauer, als er in den Stall trat, seinen Hengst ohne Schweif vor. Dem Hengst war das völlig egal.
     
    »Na, wie gefällt es euch in Osterreich?«, fragte Luca Wochen später in die Runde und warf einen abgenagten Hendlhaxen ins Feuer.
    »Gut, Papa. Die Mädchen hier sind hübsch, scheinen willig und ich bin sicher, sie lieben Italiener. Und einen wie mich sicher ganz besonders«, grinste Peter, zeigte seine blitzenden Zähne in die Runde und ließ einen Holzspan, der beim Zuspitzen des Steckens absprang, geschickt ins Feuer fliegen. Anna, seine Mutter, verpasste ihm einen zärtlich gemeinten, dennoch ziemlich festen Schlag auf den Hinterkopf.
    »Ich finde die Sprache hier furchtbar. Die reden ja wie Urwaldmenschen«, sagte Barbara und warf mit einer raschen Kopfbewegung ihren langen Perückenzopf nach hinten, als ob die neue Sprache sie beleidigt hätte. Anna nickte. »Stimmt«, murmelte sie beim Kauen. »Das werde ich nie lernen.«
    »Du und Luca, ihr werdet es am schnellsten lernen«, sagte die Großmutter, die am dichtesten beim Feuer hockte. »Luca muss am Abend durchs Programm führen und du, Anna, du sitzt an der Kassa und schreibst auch noch unsere Plakate. Da bleibt dir gar nichts anderes übrig, als rasch Deutsch zu lernen. Ich kann dich trösten, mein Kleines, sogar mir altem Weib bleibt es nicht erspart, es zu lernen. Sonst werde ich mit dem Wahrsagen und Kartenlegen kein Geschäft machen.«
    »Wer sagt dir denn, dass die Österreicher für die Hellseherei überhaupt Lowi* ausgeben wollen?«, fragte Anna.
    »Glaub mir, mein Liebes, auch wenn Menschen arm und abgestumpft sind und an nichts mehr interessiert; eines ist ihnen immer noch wichtig: sie selbst. Und ihre Zukunft. Das wird immer und überall so sein. Es gilt für Italiener genauso wie für Österreicher und alle anderen. So ist der Mensch nun einmal.«
    »Außerdem kann man immer noch einen neuen Beruf erlernen, wenn einen der alte nicht mehr ernährt«, unterbrach Luca, dem beim Blick ins Feuer sein Großvater und dessen Mundharmonikaspiel ins Herz gesprungen waren. »Neben dem Weg, den du durch dein Leben ziehst«, sagte Luca und wandte seinen Blick nicht vom Feuer ab, »neben diesem einen Weg, den du immer stärker austrittst, so wie es die Esel tun, da gibt es noch

Weitere Kostenlose Bücher