Fuchserde
Fuchs. Dieses Frieren war schön. Denn wir hatten es selbst gewählt. Und die Kälte, die uns mit der Zeit bis in die Knochen kroch, machte die Sache noch bedeutender für uns.
Das Rebhendl kam natürlich erst, als wir nicht mehr an die Jagd dachten, uns nicht mehr ausmalten, wie gut es schmecken würde und wie wir es würzen sollten, sondern erst, als wir nur noch mit unserm Schlottern beschäftigt waren. Wir wollten gerade aufbrechen und nach Hause gehen, da hast du es bemerkt. Ja, du warst es, nicht ich. Du hast gerade noch den Schwanz des Tieres in unserem Schneetunnel verschwinden gesehen. Als wir rasch und doch leise aufspringen wollten, um den Eingang des Tunnels zu verschließen, konnten wir uns vor Kälte kaum rühren. Auch in diesem Moment warst du es, der das Entscheidende tat. Na ja, allzu stolz brauchst du darauf auch nicht zu sein. Schließlich sind deine Glieder ein paar Winter jünger als die meinen. Auf jeden Fall hast du den Eingang verschlossen, den Tunnel Handbreite für Handbreite eingedrückt, und als ich es endlich geschafft hatte, auf meine tauben Beine zu kommen, hattest du dem Vogel schon das Genick gebrochen und hast ihn mir grinsend wie eine Trophäe entgegengehalten.
Weißt du noch? Deine Urgroßmutter wusste unsere Jagd gar nicht richtig zu schätzen. Als wir mit dem Rebhendl und dem Ofenrohr nach Haus gekommen sind, hat sie unsere Beute mit keinem Blick gewürdigt. Sie hat mir nur mit bösem Gesicht, und als ob wir Unsinn getrieben hätten, das Ofenrohr aus der Hand genommen. Frauen, mein kleiner Fuchs! Frauen haben keine Ahnung vom Jagen. Aber wenigstens war es wenig später schön warm in der Küche.
7.
Ohne sie anzuschauen fasste Lois Frida an der Hand. Dann zeigte er mit gestrecktem Arm auf zwei kleine Erdhaufen am rechten Straßenrand. Er straffte die Zügel und rief nach hinten zu den Kindern, die im Inneren des Plachenwagens saßen: »Heinzi, schau einmal. Weißt du, was die beiden Maulwurfshügel da am Straßenrand bedeuten?« Heinzi reckte den Hals. Dann schüttelte er den Kopf und sah seinen Vater mitleidig an. »Papa«, seufzte er, »sicher weiß ich das. Es ist ein geheimer Wegweiser zu Fahrenden, die hier in der Gegend Lager machen. Und weil es zwei Erdhaufen sind und auf der rechten Straßenseite, müssen wir beim zweiten Weg rechts einbiegen.« Lois lächelte seinen Jüngsten stolz an. Beim zweiten Weg bogen sie rechts ab.
Wenig später bemerkten sie am linken Wegrand drei Erdhaufen. »Jetzt links abbiegen«, sagte Heinzi, der zu seinen Eltern auf den Kutschbock noch vorn gerutscht war, als sie bei der dritten Abzweigung angelangt waren. »Und da vorne gleich wieder rechts«, rief Heinzi, als er den Erdhaufen bemerkt hatte. Zwei Erdklumpen weiter, sie waren mittlerweile durch dichten Wald gefahren und dann auf einem Weg dahingeholpert, der mit hohem Gras verwachsen war, sahen sie plötzlich Zebras im Gebüsch.
Sie alle sahen die Zebras. Und sie alle dachten, jeder für sich, dass da etwas anderes dahinter stecken müsse. Bemalte Pferde womöglich. Es kam ihnen vor wie ein Rätsel, das es zu lösen galt. Hier Zebras? Das konnte nicht sein.
Wie so oft würde die Wahrheit ganz simpel sein, dachten sie, wenn man der Sache nur näher käme. Und so war es auch: Es waren tatsächlich Zebras.
»Ihr müsst geglaubt haben, ihr spinnt«, lachte Luca Resulatti später, als sie gemeinsam am Lagerfeuer saßen. »Zebras sind ja nicht gerade das, was man sich mitten in Oberösterreich erwartet.«
»Stimmt«, sagte Lois. »Und als wir dann auch noch einen Löwen brüllen hörten, glaubten wir, dass es uns wie durch ein Wunder in eine andere Weltgegend verschlagen hat.«
»Das stimmt ja beinahe auch«, antwortete Luca. »Noch mehr: Ihr seid sogar in einer völlig anderen Welt gelandet. In der Welt des Zirkus.«
»Aber wie kommt es«, fragte Frida, »dass ihr am abgelegensten Wald euer Lager aufgeschlagen habt? Ich dachte immer, ein Zirkus hält nur dort, wo Vorstellungen gegeben werden, in Dörfern und Städten.«
»Da hast du schon Recht«, antwortete Lucas Frau Anna. »Aber das Zirkusgeschäft geht so schlecht, dass es sich nicht mehr lohnt, in jedem Dorf das Zelt aufzuschlagen. Wir geben nur noch in den größeren Städten Vorstellungen. Deshalb sind wir auch so weit bis hierher gekommen. Ihr müsst wissen, ursprünglich sind wir aus Italien, und zuletzt haben wir in Tirol unseren Platz für den Biberling gefunden.«
»Uns geht es ähnlich. Wir sind Waldviertler, von ganz
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