Fuchserde
sie flink übers Feuer streckte und gleich wieder einzog.
Auch unsere Kinder Maria und Heinzi passten sich rasch an die neuen Umstände an. Wäsche waschen gingen sie zum Waldbach. Im eisigen Flussbett rieben und klopften sie mit flachen Steinen den gröbsten Schmutz aus unseren Kleidern. Dann breiteten sie das Gewand im Bachbett aus, damit die Strömung auch ausgiebig jede Pore durchspülen konnte, und beschwerten die Sachen an den Zipfeln mit großen Steinen. Am nächsten Morgen hatte der Bach seine Arbeit getan. Der Waschvorgang war abgeschlossen. Maria und Heinzi fischten die Kleidungsstücke aus dem Wasser, wrangen sie aus und hingen sie über Äste vor der Restlinggrube. Rasch waren unsere Hosen und Hemden vom Frost steif wie verrostetes Blech. Die Kinder nahmen die Kleider von den Bäumen wie große, buntgefrorene Vögel, die vergessen hatten, ihre Flügel einzuziehen. Dann schlugen sie das Gewand gegen einen Baumstamm, bis der letzte Eiskristall davongeflogen war. Der Funk machte die Hemden, Hosen und Socken schließlich so warm, dass wir uns wie neu geboren fühlten, wenn wir in die frischen Kleider schlüpften.
Der Höhepunkt der Kultiviertheit unter freiem Himmel war jeden Morgen und jeden Abend das Zähneputzen. Wir rieben erkaltete Asche mit dem Zeigefinger gegen unsere Zähne und unseren Gaumen. Es gibt nichts Gesünderes, mein kleiner, schlauer Fuchs. Danach spülten wir unsere Münder mit frischem, winterkaltem Bachwasser aus und wuschen unsere Gesichter. Ich verspreche dir, mein kleiner Fuchs: Danach bist du wahrhaft munter. Am Abend wuschen und rieben wir unsere Körper mit nassen Lappen ab. Das Wasser hatten wir im Topf über dem Funk ordentlich heiß gemacht.
Nachdem wir uns länger als eine halbe Mondphase versteckt gehalten hatten, plagten uns drei Gedanken immer mehr: die Sorge um unsere Verwandten im Dorf, die bedrohlich kleiner werdenden Lebensmittelvorräte und die Frage, wie lange wir uns noch versteckt halten müssen vor den Nazis. Weil wir Jenische praktische Menschen sind, beschlossen wir, alle drei Ungewissheiten mit einer einzigen Maßnahme zu beseitigen: Im Schutz der Dunkelheit wollte ich mich ins Dorf schleichen.
Heinzi bestand darauf, mit mir zu kommen. Er war damals nicht viel jünger als du jetzt, mein kleiner Fuchs. Zum Bleiben konnte ich ihn nur überreden, weil ich ihm gesagt habe: »Heinzi, zwei Männer entdecken die Gadsche doppelt so leicht wie nur einen Mann. Außerdem bist du jetzt dreizehn, also alt genug, um mich zu vertreten und die Frauen zu verteidigen, wenn ich nicht da bin.« Heinzi war damals erwachsen genug, um das erste Argument zu verstehen und eitel genug, um das zweite Argument als das wichtigere zu erachten.
Ich machte mich auf, nachdem der sichelförmige Mond begonnen hatte, durch die Baumwipfel zu scheinen. Ich war zufrieden, denn sein Licht schien ausreichend stark, um mir meinen Weg durch den Wald zu weisen und war doch schwach genug, um mich auf den schneebedeckten, hellen Wiesen und Feldern nicht zu verraten. Ein bisschen fror ich, als ich mich durch das Dickicht drängte. Denn ich hatte keine dicke Jacke angezogen, sondern nur ein Flanellhemd. Ich wollte beweglich sein und wusste, dass ich spätestens auf dem Rückweg ins Schwitzen kommen würde. Denn auf den Rücken und auf die Brust hatte ich Rucksäcke geschnallt, in der Hoffnung, sie prall gefüllt mit Lebensmitteln wieder zurückzubringen.
Ich war flott unterwegs und bald überdeckte meine Nervosität die Kälte. Kaum war ich in der Nähe des Dorfes, überkam mich ein komisches Gefühl. Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas war anders.
Ich hatte mich über den Waldteich genähert, um das Dorf von jener Seite zu erreichen, wo Fridas Geschwister mit ihren Familien die Holzhütten hatten und wo auch unsere älteren Kinder mit ihren Familien lebten. Im Mondlicht sah ich zu meiner Rechten den Buckel des Hügels. Hinter ihm wusste ich unser Haus. Ich erkannte die Erlen und die Linde zu meiner Linken. Ich konnte nichts Ungewöhnliches erkennen, aber irgendetwas war faul. Mit jedem Schritt vorwärts wurde mir mulmiger. Als ich weiter ging, zeichnete sich auch die Silhouette der Dorfkapelle ab. Immer mehr fand ich mich zurecht, immer mehr war ich daheim. Und immer weniger konnte ich mich darüber hinwegtäuschen, was mich irritierte – bis ich schließlich davor stand, bis ich schließlich knöchelhoch in Asche stand und der Geruch von nasser, kalter Kohle in meine Nase stieg.
Sie hatten
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