Fuchsjagd
jemand sich zeigt.«
»Mir sieht es mehr nach Isolierung aus«, sagte Mark unverblümt. »Er hat Sie zum Außenseiter gemacht, Sie von allen Menschen abgeschnitten, die Sie unterstützen könnten – von den Nachbarn – von der Polizei –« Er holte kurz Luft. »Von Ihrem
Anwalt
– sogar von Ihrer Enkelin. Glauben Sie im Ernst, er weiß nicht, dass Sie es lieber bei dem Fragezeichen belassen würden, als ihr einen DNA-Test zuzumuten?«
»Er kann es nicht mit Sicherheit wissen.«
Mark schüttelte lächelnd den Kopf. »Doch, das kann er. Sie sind ein Gentleman, James, und Ihre Reaktionen sind vorhersehbar. Geben Sie zu, dass Ihr Sohn ein besserer Psychologe ist als Sie. Er weiß ganz genau, dass Sie lieber stillschweigend leiden würden, als eine Unschuldige glauben zu lassen, sie sei das Produkt eines Inzests.«
Mit einem Seufzer räumte James ein, dass Mark Recht hatte. »Aber was will er dann? Dass diese Lügen bestehen bleiben? Er hat mir bereits klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass er und Elizabeth gemäß dem Familienversorgungsgesetz auf einen Pflichtteil klagen werden, wenn ich versuchen sollte, sie beide zu enterben. Aber wenn er mich des Inzests beschuldigt, bietet er doch nur diesem angeblich von mir gezeugten Kind einen Grund, ebenfalls Anspruch auf einen Teil des Erbes zu erheben.« Völlig konsterniert schüttelte er den Kopf. »Eine dritte Partei würde doch seinen Anteil verkleinern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das will.«
»Nein«, sagte Mark nachdenklich, »aber Nancy hätte mit einer Klage sowieso keine Chance. Sie war im Gegensatz zu Leo und Elizabeth nie finanziell abhängig von Ihnen. Das ist der Haken, auf den ich Sie aufmerksam gemacht habe, als Sie damals zu mir kamen – wenn Sie es abgelehnt hätten, Ihre Kinder finanziell zu unterstützen, hätten diese keinen Anspruch. Aber weil Sie ihnen geholfen haben, können sie nun für die Zukunft eine angemessene finanzielle Versorgung verlangen – insbesondere Elizabeth, die völlig mittellos dastünde, wenn Sie ihr nichts hinterließen.«
»Durch eigenes Verschulden. Sie hat alles, was sie je bekommen hat, zum Fenster hinausgeworfen. Mit einem Pflichtteil wird sie nur ihre diversen Laster ausleben, bis die sie umbringen.«
Genauso hatte es Ailsa gesehen. Aber sie hatten das unzählige Male diskutiert, und Mark hatte James davon überzeugt, dass es besser war, Elizabeth einen angemessenen Unterhaltsbetrag zu hinterlassen, als einer Klage auf einen höheren Betrag nach seinem Tod Tor und Tür zu öffnen.
Bei Leo lag der Fall nicht so klar wie bei Elizabeth. Er konnte keine fortlaufende finanzielle Abhängigkeit nachweisen, seit James ihm nach seinem Betrug bei der Bank den Geldhahn zugedreht hatte. Und Mark war der Auffassung, dass es ihm schwer fallen würde, einen Pflichtteil einzuklagen. Trotzdem hatte Mark James geraten, seinem Sohn den gleichen Unterhaltsbetrag zukommen zu lassen wie seiner Tochter, zumal Ailsa ihren Kindern nicht wie versprochen ihr Vermögen zu gleichen Teilen hinterlassen hatte, sondern jedem nur einen symbolischen Betrag von fünfzigtausend Pfund vermacht hatte und den gesamten Rest ihrem Mann. Steuerlich klug war diese Regelung nicht, aber sie trug Ailsas Überzeugung, dass jeder Mensch eine zweite Chance verdient, Rechnung.
Die schwierige Frage war – und war immer gewesen –, wie nach Abzug der Pflichtteile über den Hauptteil des Vermögens, insbesondere das Haus samt Inventar sowie die Ländereien, alles seit langem im Besitz der Familie Lockyer-Fox, verfügt werden sollte. Letztlich schreckten, wie das in diesen Fällen so häufig vorkam, sowohl James als Ailsa davor zurück, den Besitz aufzuteilen und stückweise verkaufen zu lassen, was zur Folge gehabt hätte, dass Familienschriftstücke und -fotografien von Fremden vernichtet worden wären, die die Geschichte ihrer Vorfahren weder kannten noch sich für sie interessierten. Daher die Suche nach Nancy.
Es war Ironie des Schicksals, dass die Suche das ideale Ergebnis gezeitigt hatte. Nancy genügte den höchsten Ansprüchen, wobei, wie Mark nach der ersten Begegnung mit ihr zu James bemerkt hatte, ihr Reiz als Erbin und als lang verlorene Enkelin ganz wesentlich durch ihre Gleichgültigkeit gegenüber der winkenden Erbschaft erhöht wurde. Ähnlich einer Femme fatale verführte sie durch kühle Unberührbarkeit.
Mark verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte zur Zimmerdecke hinauf. Er hatte mit Becky nie über seine
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