Fuchsjagd
einen toten Fuchs auf meiner Terrasse interessiert.«
»Die Tierquälerei hat doch bestimmt Spuren hinterlassen, die Sie hätten vorweisen können.«
James seufzte und knüllte das Taschentuch wieder zusammen. »Ach! Haben Sie eine Ahnung, was eine Schrotladung mit einem Tier anrichtet? Vielleicht hätte ich es unter Qualen verenden lassen sollen, während ich auf das Eintreffen der Polizei wartete? Immer vorausgesetzt, die hätte sich überhaupt für ein von Flöhen zerbissenes Tier interessiert, das Tag für Tag gejagt und vergiftet wird… was natürlich nicht der Fall war. Sie sagten mir, ich solle den Tierschutzverein anrufen.«
»Und?«
»Sehr teilnehmend, aber machtlos, da es sich beim Fuchs um so genanntes Raubzeug handelt. Sie meinten, es wäre das Werk eines Wilderers aus Wut darüber, dass ihm statt eines Hirschs ein Fuchs in die Falle gegangen war.«
»Setzen Sie sich darum jede Nacht auf die Terrasse? Weil Sie hoffen, ihn zu erwischen?«
James lächelte dünn, als fände er die Frage erheiternd.
»Seien Sie vorsichtig, James. Gewaltanwendung in vertretbarem Rahmen – mehr erlaubt Ihnen das Gesetz nicht zum Schutz Ihres Eigentums. Wenn Sie irgendetwas tun, das nach Selbstjustiz riecht, wandern Sie ins Gefängnis. Die Gerichte haben überhaupt kein Verständnis für Leute, die das Gesetz selbst in die Hand nehmen.«
Er hätte sich seine Worte ebenso gut sparen können; die Reaktion war gleich null.
»Ich mache Ihnen keinen Vorwurf«, fuhr er fort. »Mir würde es an Ihrer Stelle genauso gehen. Ich bitte Sie nur, die Konsequenzen zu bedenken, bevor Sie etwas tun, was Sie später bereuen.«
»Ich tue die ganze Zeit kaum etwas anderes«, gab James schroff zurück. »Vielleicht sollten Sie selbst einmal auf Ihren Rat hören.«
Mark schnitt eine Grimasse. »Ich verstehe nicht recht.«
James zerriss den Brief und warf die Fetzen in den Papierkorb neben dem Schreibtisch. »Überlegen Sie genau, ob es richtig ist, Nancy zu diesem Test zu überreden«, sagte er kalt. »Ich habe meine Frau an einen Wahnsinnigen verloren – ich möchte nicht auch noch meine Enkelin verlieren.«
Im Windschatten seines Vaters huschte Wolfie durch die Bäume, getrieben von dem angstvollen Verlangen herauszufinden, was Fox im Schilde führte. Er kannte den Ausspruch »Wissen ist Macht« nicht, aber dass er mehr wissen musste, das verstand er. Wie sonst könnte er seine Mutter finden? Er fühlte sich so mutig wie seit Wochen nicht mehr, und ihm war klar, dass es mit Bellas Güte zu tun hatte und mit Nancy, die ihn zum Mitverschwörer gemacht hatte. Das baute ihn auf.
Die Nacht war so finster, dass er nichts sah, aber er setzte die Füße leicht und biss die Zähne zusammen gegen peitschende Zweige und dorniges Gestrüpp. Nach einiger Zeit stellten sich seine Augen auf die karge Beleuchtung durch den Mond ein, und er konnte sich am Geräusch knackender Ästchen orientieren, die unter Fox' schwereren Schritten brachen. Von Zeit zu Zeit machte er Halt und wartete, er wollte nicht wieder blind in eine Falle tappen. Doch Fox eilte schnurstracks zum großen Haus. Wolfie erkannte, dass Fox in sein Revier zurückkehrte, an seinen bevorzugten Beobachtungsposten, zu jenem einen Baum.
Mehrere Minuten lang geschah gar nichts, dann begann Fox plötzlich zu sprechen. Erschrocken duckte sich der Junge, der glaubte, Fox wäre in Begleitung. Aber als niemand antwortete, begriff er, dass Fox mit seinem Handy telefonierte. Einzelne Wörter waren kaum auszumachen, aber die Modulation von Fox' Stimme erinnerte Wolfie an Lucky Fox – und merkwürdigerweise konnte er den alten Mann gerade jetzt hinter einem der unteren Fenster des großen Hauses erkennen.
»…ich habe die Briefe, und ich weiß ihren Namen… Nancy Smith, Captain bei den Royal Engineers. Sie sind sicher stolz darauf, noch einen Soldaten in der Familie zu haben. Und sie ist Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten. Groß und dunkel – ein Abbild von Ihnen, als Sie jünger waren… Wirklich schade, dass sie nicht tut, was man ihr sagt. Es hat keinen Sinn, Sie in die Familienschwierigkeiten zu verwickeln, haben Sie ihr geschrieben – aber nun ist sie da. Weiß sie, wer ihr Vater ist? Werden Sie es ihr sagen, bevor ein andrer es tut…?«
Mark spielte die Aufzeichnung mehrmals ab. »Wenn das Leo ist, hält er Sie allen Ernstes für Nancys Vater.«
»Er weiß, dass ich es nicht bin«, entgegnete James, der auf der Suche nach der Akte »Verschiedenes« einen Hefter nach dem
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