Fuchsjagd
nicht.«
Das wäre das erste Mal, dachte Mark zynisch. »Es ist besser als nichts. Wenn sie die fünfzigtausend von Ihrer Mutter bereits verbraucht hat, sind es fünfzig Flaschen Gin im Monat, die ihr sicher sind… aber Ihr Vater ist nicht bereit, ihr die Erhöhung zu geben, wenn sie nicht vorher mit ihm spricht.«
»Und was ist mit mir?«
»Da verhandle ich noch.«
»Erwarten Sie nur keine Dankbarkeit. Ich würde Sie am liebsten einsachtzig tiefer sehen.«
»Tja, Pech gehabt«, versetzte Mark.
»Sie haben meinem Vater offensichtlich aus irgendeinem Grund die Daumenschrauben angesetzt«, sagte Leo. »Freiwillig würde er keinem von uns mehr Geld geben. Also, worum geht's?«
»Kennen Sie Eleanor Bartlett? Sie wohnt im Shenstead House.«
Keine Antwort.
»Haben Sie jemals mit ihr gesprochen? Haben Sie sie mit Elizabeth bekannt gemacht?«
»Warum interessiert Sie das?«
Mark warf im Geist eine Münze und entschied sich für Aufrichtigkeit. Was hatte er zu verlieren? Wenn Leo in die Sache verwickelt war, kannte er die Anschuldigungen bereits. Und wenn nicht…»Sie beschuldigt Ihren Vater des Inzests. Sie behauptet, er wäre der Vater des Kindes Ihrer Schwester, und erklärt, das wüsste sie von Ihrer Schwester persönlich. Sie hat ihn mit anonymen Drohanrufen bombardiert, und ich habe Ihrem Vater geraten, sich an die Polizei zu wenden. Aber bevor wir das tun, möchten wir wissen, ob die Bartlett die Wahrheit sagt, wenn sie behauptet, diese verleumderischen Geschichten von Elizabeth erfahren zu haben.«
Man hörte Leos Grinsen in seiner Stimme. »Wieso halten Sie es für Verleumdung?«
»Wollen Sie das Gegenteil behaupten?«
»Kommt ganz drauf an, was die Information wert ist.«
»Nichts.«
»Falsche Antwort, mein Freund. Mein Vater legt größten Wert auf seinen Ruf. Nehmen Sie die Verhandlungen auf dieser Grundlage wieder auf und stellen Sie fest, wie viel er zu zahlen bereit ist, um ihn nicht zu beschädigen.«
Mark antwortete nicht gleich. »Wie steht's denn mit Ihrem Ruf, Leo? Wie viel ist er Ihnen wert?«
»Ich habe in der Hinsicht keine Probleme.«
»Aber Sie werden welche bekommen, wenn ich der Polizei von diesem Gespräch und den diversen Anschuldigungen berichte, die Becky gegen Sie erhebt.«
»Sie meinen diesen Blödsinn, dass ich sie gezwungen hätte, mir Geld zu leihen?«, sagte Leo in ätzendem Ton. »Eine völlig unhaltbare Behauptung. Sie hat die Schulden ganz allein gemacht.« Eine argwöhnische Pause. »Sie haben doch gesagt, Sie hätten seitdem nicht mit ihr gesprochen.«
»Ich sagte, ich habe sie nicht
gesehen
. Ich habe vor einer halben Stunde mit ihr telefoniert. Sie hat mir viel von Ihnen erzählt – nichts Gutes, allerdings. Sie beschuldigt Sie des Missbrauchs und sagt, sie habe Angst vor Ihnen –«
»Was zum Teufel reden Sie da?«, unterbrach Leo aufgebracht. »Ich hab der Frau nichts getan, was nicht –«
Mark warf James einen Blick zu. »Falsches Opfer. Sie dürfen noch mal raten.«
»Was soll das heißen?«
»Da müssen Sie schon selber draufkommen. Sie fanden es komisch, als es nicht Sie betraf, und versuchten sogar noch, Geld damit zu machen.«
Es folgte ein langes Schweigen. »Würden Sie mir das freundlicherweise in Normalsprache übersetzen?«
»Das halte ich unter den gegebenen Umständen nicht für ratsam.«
»Hört mein Vater mit?«
»Ja.«
Das Gespräch wurde augenblicklich abgebrochen.
Nancy hatte binnen zwei Stunden drei widersprüchliche Nachrichten erhalten. Eine von James, der ihr in niedergeschlagenem Ton mitteilte, dass er sich unglaublich gefreut habe, sie kennen zu lernen, jedoch in Anbetracht der Umstände einen weiteren Besuch von ihr für unangebracht halte. Eine SMS von Mark, in der es hieß, James lüge; in einer zweiten war von einem Notfall die Rede. Jedes Mal, wenn sie versucht hatte, Mark auf seinem Handy zu erreichen, war sie auf seiner Voicemail gelandet und hatte dann keine Antwort erhalten.
Sie war schließlich so besorgt gewesen, dass sie ihre Sachen unausgepackt in Bovington liegen gelassen hatte und nach Shenstead zurückgefahren war. Jetzt kam sie sich albern vor. Was für Umstände? Was für ein Notfall? Das Herrenhaus war dunkel, und auf ihr Läuten blieb alles still. Der Mond, der immer wieder hinter Wolken verschwand, warf bisweilen einen unruhigen Lichtschein auf die Fassade des Hauses, aber nirgends rührte sich etwas. Sie schaute durch die Fenster der Bibliothek und suchte nach Licht unter der geschlossenen Tür zum
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