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Fuchsjagd

Titel: Fuchsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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dass er nicht mehr nach Shenstead gekommen war, seit er dem Colonel im August Nancy Smith' Entscheidung überbracht hatte. Er hatte sie damals mit Fassung entgegengenommen und Mark angewiesen, ein Testament aufzusetzen, das die Auflösung des Lockyer-Fox'schen Vermögens vorsah. Seine beiden Kinder sollten dabei nur ein äußerst bescheidenes Erbe erhalten. Doch bis jetzt war das Dokument nicht unterschrieben. Der Colonel saß seit Monaten auf dem Entwurf, offenbar aus Angst vor einem, wie er es wohl sah, unwiderruflichen Schritt. Als Mark ihn am Telefon darauf ansprach, hatte er nur gereizt erklärt: »Hören Sie auf, mir die Hölle heiß zu machen. Ich habe meine fünf Sinne noch beisammen. Ich werde mir für meine Entscheidung so viel Zeit lassen, wie ich brauche.«
    Mark war noch unruhiger geworden, als vor einigen Wochen unter der Nummer von Shenstead Manor plötzlich ein Anrufbeantworter in Dienst getreten war, als hätte James' angeborener Hang zur Eigenbrötelei sich nun so weit verstärkt, dass er jeden Kontakt zur Außenwelt verweigerte. Briefe, die früher postwendend erledigt worden waren, blieben tagelang unbeantwortet. Wenn James sich selten einmal doch die Mühe gemacht hatte, Mark zurückzurufen, war sein Ton abwehrend und gleichgültig gewesen, als interessierte ihn das Schicksal des Familienerbes nicht mehr. Er entschuldigte seinen Mangel an Enthusiasmus mit Übermüdung. Er schlafe schlecht, sagte er. Ein- oder zweimal hatte Mark ihn gefragt, ob er an einer Depression leide, aber die Frage war jedes Mal ungeduldig abgewehrt worden. »Ich bin geistig völlig gesund«, hatte James geantwortet, als fürchtete er, das Gegenteil könnte der Fall sein.
    Mark jedenfalls machte sich Sorgen um ihn und hatte deshalb auf diesem Besuch bestanden. Er hatte die Symptome des Colonel einem befreundeten Arzt in London geschildert, der meinte, das klänge ihm nach einer ordentlichen Depression oder einer posttraumatischen Stressreaktion. Die folgenden seien normale Reaktionen auf eine unerträgliche Situation: Vermeidung sozialer Kontakte – Abwehr von Verantwortung – Teilnahmslosigkeit – Schlaflosigkeit – Angst vor eigener Unzulänglichkeit –Ängste ganz allgemein. Überleg doch mal, hatte sein Freund gemeint: Jeder Mann im Alter des Colonel wäre nach dem Tod seiner Frau niedergeschlagen und fühlte sich einsam. Aber wenn er dann auch noch verdächtigt wird, sie getötet zu haben, und deshalb vor Gericht vernommen wird… Das sei der verzögerte Schock. Wann habe der arme alte Kerl denn Gelegenheit gehabt zu trauern?
    Mit guten Ratschlägen über Trauerarbeit und die wohltuende Wirkung milder Antidepressiva auf die Allgemeinstimmung gerüstet, war Mark an Heiligabend in Shenstead Manor eingetroffen. Er war auf einen traurigen Mann gefasst gewesen, aber von Traurigkeit konnte keine Rede sein. Gespräche über Ailsa machten James nur ärgerlich.
    »Sie ist tot«, schnauzte er Mark einmal zornig an. »Wozu sie auferwecken?« Ein andermal: »Sie hätte ihre Vermögensangelegenheiten selbst regeln sollen, anstatt mir den Schwarzen Peter zuzuschieben. Das war doch nichts als Feigheit. Es hat nie was gebracht, Leo eine zweite Chance zu geben.« Eine Frage nach Henry, Ailsas dänischer Dogge, hatte eine ähnlich schroffe Antwort gezeitigt. »Er ist an Altersschwäche eingegangen. War das Beste für ihn. Er ist dauernd herumgeirrt und hat sie gesucht.«
    Mark hatte für die Feiertage einen Geschenkkorb voller Delikatessen von Harrod's mitgebracht, nachdem sein Freund, der Arzt, ihn darüber aufgeklärt hatte, dass Depressive nicht für sich zu sorgen pflegten. Wie wahr das war, sah er, als er den Kühlschrank öffnete, um die zwei Fasane, die Gänseleberpastete und den Champagner zu verstauen, die er mitgebracht hatte. Kein Wunder, dass der alte Mann so stark abgenommen hat, dachte er beim Anblick der leeren Fächer. Die Gefriertruhe in der Spülküche war gut gefüllt mit Fleisch und Gemüse, aber den dicken Eisschichten nach zu urteilen, war das meiste noch von Ailsa dort gelagert worden. Er sagte, er brauche Brot, Kartoffeln und Milchprodukte, auch wenn James offensichtlich ohne auskomme, und fuhr nach Dorchester zum Supermarkt, bevor dieser über die Feiertage zumachte. Sicherheitshalber kaufte er gleich noch Spülmittel, Scheuerpulver, Shampoo, Seife und Rasierzeug ein.
    Energisch ging er anschließend daran, die Arbeitsflächen in der Küche zu schrubben und zu desinfizieren, bevor er draußen im Vestibül

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