Fuchsjagd
den Fliesenboden wischte. James schwirrte um ihn herum wie eine gereizte Hummel und sperrte die Türen diverser Zimmer ab, in denen er ihn nicht haben wollte. Auf alle Fragen gab er nur halbe Antworten. Ob Vera Dawson weiterhin für ihn putze? Sie sei faul und senil. Wann er das letzte Mal eine ordentliche Mahlzeit zu sich genommen habe? Er verbrauche dieser Tage kaum Energie. Ob seine Nachbarn sich um ihn kümmerten? Er ziehe es vor, allein zu sein. Warum er all die Briefe nicht beantwortet habe? Es sei ihm zu lästig gewesen, zum Briefkasten zu gehen. Ob er einmal daran gedacht habe, sich wieder einen Hund zuzulegen, der ihn zwingen würde, ein paar Schritte zu laufen? Tiere machten zu viel Arbeit. Ob er sich in diesem riesigen Haus nicht einsam fühle so ganz ohne jemanden, mit dem er sich ab und zu einmal unterhalten könne? Schweigen.
Mit auffallender Regelmäßigkeit klingelte das Telefon in der Bibliothek. James ging nie hin, obwohl durch die abgeschlossene Tür die gedämpften Stimmen der Leute vernehmbar waren, die Nachrichten hinterließen. Mark bemerkte, dass der Stecker des Telefons im Wohnzimmer aus der Buchse gezogen war; als er ihn wieder einstecken wollte, verbot es ihm der Colonel. »Ich bin weder blind noch blöd, Mark«, sagte er scharf, »und ich wollte, Sie würden endlich aufhören, mich wie einen Alzheimer-Kranken zu behandeln. Es würde mir nicht einfallen, einfach bei Ihnen aufzukreuzen und ihre tägliche Ordnung in Frage zu stellen. Tun Sie es also bitte auch nicht bei mir.«
Da schimmerte noch einmal der Mann durch, den er gekannt hatte, und Mark reagierte sofort darauf. »Ich müsste es nicht tun, wenn ich wüsste, was hier vor sich geht«, sagte er und wies mit dem Daumen zur Bibliothek. »Warum gehen Sie nicht ans Telefon?«
»Weil ich nicht will.«
»Aber es könnte doch was Wichtiges sein.«
Der Colonel schüttelte den Kopf.
»Es scheint immer dieselbe Person zu sein – und man ruft doch nicht immer wieder an, wenn es nicht dringend ist«, wandte Mark ein, während er die Asche im offenen Kamin zusammenfegte. »Lassen Sie mich wenigstens hören, ob es für mich ist. Ich habe meinen Eltern die Nummer hier gegeben, falls etwas los sein sollte.«
Zorn flammte im Gesicht das Colonel auf. »Sie nehmen sich ein bisschen zu viel heraus, Mark. Muss ich Sie erst daran erinnern, dass Sie sich selbst eingeladen haben?«
Mark schichtete Scheite auf. »Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht«, sagte er ruhig. »Und jetzt, wo ich hier bin, mache ich mir noch mehr Sorgen. Es kann ja sein, dass Sie mich aufdringlich finden, James, aber deswegen brauchen Sie wirklich nicht so grob zu sein. Ich bin gern bereit, im Hotel zu übernachten, aber ich werde hier erst verschwinden, wenn ich weiß, dass Sie ordentlich für sich sorgen. Was tut eigentlich Vera hier, Herrgott noch mal? Wann haben Sie zum letzten Mal ein Feuer im Kamin gehabt? Wollen Sie an Unterkühlung sterben wie Ailsa?«
Seine Bemerkungen wurden mit Schweigen quittiert, und er drehte den Kopf nach dem Colonel, um vielleicht eine Reaktion erkennen zu können.
»Ach Gott«, sagte er bekümmert beim Anblick der Tränen in den Augen des alten Mannes. Er stand auf und legte dem Colonel teilnehmend die Hand auf den Arm. »Jeder leidet irgendwann einmal an einer Depression. Dessen braucht man sich nicht zu schämen. Kann ich Sie nicht dazu bewegen, wenigstens einmal mit Ihrem Arzt zu sprechen? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit so etwas umzugehen… ich habe Ihnen Unterlagen dazu mitgebracht – in allen steht, dass es das Schlimmste ist, stillschweigend zu leiden.«
James entzog ihm brüsk seinen Arm. »Sie scheinen ja ganz versessen darauf, mir einzureden, ich wäre psychisch krank«, knurrte er. »Wie kommt das? Haben Sie mit Leo gesprochen?«
»Nein«, entgegnete Mark überrascht. »Seit der Beerdigung nicht mehr.« Er schüttelte perplex den Kopf. »Was würde es ändern, wenn ich tatsächlich mit ihm gesprochen hätte? Man wird Sie nicht für geschäftsunfähig erklären, nur weil Sie depressiv sind – und selbst wenn das geschähe, liegt die Vollmacht, Sie in allen Belangen zu vertreten, bei mir. Es gibt überhaupt keine Möglichkeit für Leo, sich bei der Abteilung des High Court zur Verwaltung des Vermögens von Geisteskranken als Ihr Betreuer eintragen zu lassen. Es sei denn, Sie widerrufen die Vollmacht, die Sie mir erteilt haben, und übertragen sie ihm. Ist es das, was Sie beunruhigt?«
Das Lachen des Colonels klang
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