Fuchsteufelswild
zamghaut ham, in der Hoffnung, dass der Brandl den verreckten Brief endlich rausrückt. Hat der aber nicht wollen und können. Wahrscheinlich durfte der Hambacher nur an einer Kopie schmecken.«
»Hab ich mich nicht deutlich ausgedrückt?« Indiginiert ist der Arzt, wie wenig die Versammlung sich um seinen autoritären Habitus schert. Insubordination! Hätte er die Hintergründe geahnt, wäre er davon nicht so betroffen. Als gäbe er im Raum nur die lästige Stubenfliege ab. Aber wenn der Boandlkramer dich schon mit der Sense gekitzelt hat, bist du nicht mehr empfänglich fürs herrische Genöle. Eigentlich schad, dass man dafür erst ein auÃergewöhnliches Erlebnis respektive einen lebensbedrohlichen Zustand braucht. Es würde das Dasein allemal erleichtern, wenn sich die eingebildeten Machtmenschen ihre Befehle und Wünsche per se in die Haare schmieren könnten, mangels Beachtung aus irrealer Zwergenperspektive.
Der Jonny offeriert dem Arzt zumindest einen kurzen Blick â Balsam für die geschundene Doktorenseele â, bevor er ungerührt fortfährt.
»Der Brandl hat wahrscheinlich eher mit einem Unfall oder Ãhnlichem gerechnet, als er der Hopf den Brief zur Aufbewahrung gegeben hat. Vielleicht hat er dem Grainer nur die Wahrheit über Annis Tod aufs Brot schmieren wollen, damit der nimmer an den Selbstmord glaubt und ihn sein Gewissen nimmer gar so druckt. Oder aber er hat gehofft, der schlägt dem Hambacher gleich amtlich das Hirn ein. Das kann man in diesem Leben nimmer von Brandl erfahren. Warâs des â seids endlich zufrieden?«
Das wünscht sich der Arzt nebst seinem Gefolge wohl auch gerade. Immerhin hat er schweigend zugehört. Die Rolle, die ihm gerade zufällt, angenommen. AlibimäÃig ist er dem Sandner nähergetreten und hat dessen Hals forschend beäugt. Sein Anhang ist währenddessen nahe der Tür verblieben, jede seiner Bewegungen wachsam im Blick. Bereit, seinen Willen bedingungslos zu erfüllen. Sag nur ein Wort.
»Wär vom Karma her interessant, die Frage mit der Selbstjustiz. Es zählt ja, was du anstrebst, nicht, was draus wird«, lässt sich die Wiesner vernehmen.
Jetzt verzieht der WeiÃkittel das Gesicht. Verständlich. Für seine Tätigkeit im Haus mag er diese Regel nicht angewendet wissen. Das ärztliche Streben allein wäre für die Klientel nicht befriedigend ohne gesundendes Resultat, Karma hin oder her. Schön, wenn man auf felsenfesten Ãberzeugungen bauen kann â wer die Zweifel liebt, studiert ungern Medizin.
»Da hast sogar du die Chance, ein Heiliger zu werden, Jonny«, meint der Hartinger, »wennâs eh ned drauf ankommt, ob was Gscheits rauskommt.«
»Pass auf, des sag ich dem Wenzel, wenn er mich wieder fragt, ob ich auf seim Schoà sitzen mag.«
»Oide Petzmusch.«
Der Herr Doktor schaut beunruhigt von einem zum anderen. Hilft nix. Angemessenen Respekt kann er nicht herbeizaubern. Das lässt ihn mit den Hufen scharren â er ist halt zur Party nicht eingeladen und erntet bitterschmeckende Ignoranz. Hier hat niemand einen Arzt bestellt â vielleicht hat er nebenan mehr Glück.
»Ãbrigens«, der Jonny kramt in einer Plastiktüte und fördert einen zerrupften Tulpenstrauà zutage, welchen er dem Sandner hinhält.
»Ganz vergessen â vom Staatsanwalt, mit besten Wünschen zur baldigen Genesung.«
Der Hauptkommissar starrt entgeistert die Blumen an und greift sich ans Hirn.
»Ned dei Ernst, Kasperl. Ich zähl bis drei«, flüstert er.
Bei »zwei« hat der Jonny sich an der Pflegerschaft vorbeigedrängelt, um den Strauà drauÃen auf dem Gang einer blonden, zierlichen Physiotherapeutin in die Hand zu drücken. Geschwind ist er. Seinem inbrünstigen »Für Sie« fehlt allerdings die Ãberzeugungskraft. Ihre verbale Dankesintervention hat ihn wohl trösten sollen.
Der Sandner kann natürlich nicht so losbrüllen beim Lachen wie seine Kollegen, aber er gibt sich redlich Mühe.
»Fünf Minuten«, ergreift eine ältere Schwester mahnend die Initiative. Sie schreitet auf den Sandner zu und hält ihm beschwörend fünf Finger vors Gesicht. »Dann ist aber Schluss hierherin!«
Das Krankenhauspersonal hat kapituliert und schleicht sich von dannen. Die Frist hat die Frau den Polizisten gesetzt, um ihrem sprachlosen
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