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Fuchsteufelswild

Fuchsteufelswild

Titel: Fuchsteufelswild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Krause
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Meistens sitzt du stundenlang auf dem Stuhl im Vernehmungsraum wie die Spinne im Netz, und nur das Gesumms variiert. Fließbandarbeit, bei der du die Luft in toxische Stückerl hacken könntest. Und vergiss nie die makellose Dokumentation – der ganze technische und technokratische Firlefanz. Im Zweifelsfall hat natürlich sämtliche Schreibkräfte grad die Influenza niedergestreckt. Könnte auch an der sogenannten Luft liegen. Ganz anders im trauten Heim: Da würden die Leut oft zwitschern wie die verliebten Wellensittiche, ganz relaxt, so Sandners Credo. Einen besseren Kaffee bekommt man meist kredenzt – nicht die amtliche Brühe. Das Interieur hätte auch oft etwas zu vermelden, wenn man dafür einen Sinn hätte. Das Atmosphärische ist halt Sandners Marotte – nebst stimulierendem Heißgetränk.
    Zwitschern wie die Verliebten. Das stößt etwas in ihr an.
    Zehn Minuten später sitzt sie auf dem Rad. Keine geniale Idee, wenn du kaum schnaufen kannst. Bewegung ist aber das, was sie aktuell braucht.
    A nnis Grab schmiegt sich östlich ans Kirchengemäuer. Die Spezialistin hat ohne zu zögern das Pflanzenensemble ausgegraben und beiseitegelegt. Genauso hemmungslos rammt der Miran jetzt die Schaufel in die Erde. Ohne viel Federlesen. Eine Ladung Erde fliegt im hohen Boden neben die Grabstätte. Der Sandner widersteht der Versuchung, seinem Igor ein »Warte!« zuzurufen, die Sache wird abgeblasen. Schnapsidee. Er bleibt eine stumme Säule in seiner Uniform. Finsterer Blick, die Arme verschränkt. Schaufel um Schaufel geht es voran. Neben dem Loch türmt sich die Erde auf. Der Polizist wirft einen Blick ums Karree. Niemand zu sehen. Schweißperlen spürt er an seinen Wangen herunterlaufen. Standhalten. Ausharren. Plötzlich steht jemand am Tor. Wo ist der auf einmal hergekommen? Wanderkleidung, Windjacke – Tourist. Angestrengt linst er in ihre Richtung, kneift die Augen zusammen. Solang er kein Foto schießt! Das fehlte noch. Der Sandner macht ein paar Schritte in dessen Richtung. Er sagt nichts, greift nur den Blick auf und wirft ihn zurück. Polizeiliches Mienenspiel. Ernst und autoritär. Angesichts des Uniformierten packt den Schaulustigen hoffentlich die übliche Schlüsselreizklaue im Genick. Schuldbewusstsein mit einer Prise Unbehagen. Zwei Jugendliche gesellen sich zu ihm an die Mauer. Baseballkappenschirme nach hinten, Smartphones und Redbull-Dosen in Händen. Einer deutet ungeniert in Sandners Richtung. Endlich mal beutelt das Leben den Ort durch – bezeichnenderweise auf dem Friedhof. Wenn’s so weitergeht, kann der Sandner Eintrittskarten verkaufen. Herrschaftszeiten. Kurz schaut er über die Schulter. Der Spezialistin geht’s offensichtlich zu langsam. Sie greift nach einem Spaten. Der Aschenbrenner reißt ihn ihr, irgendetwas Unverständliches knurrend, aus der Hand und beginnt seinerseits zu schaufeln. Gentleman oder eheliche Gewohnheit.
    Wie lang dauert das noch? Das knirschende Geräusch der zustoßenden Spaten zerrt an Sandners Nerven. Sie fressen sich rhythmisch durchs Erdreich. Immer tiefer. Laut und aufdringlich kommt es ihm vor. Der ganze Ort wird die Ohrwaschl aufsperren und zusammenlaufen. Wenigstens der Wanderer hat genug gesehen. Er dreht sich um und schlappt von dannen. Ohne Erinnerungsfoto. Seltsames Brauchtum im Kurort – muss er nicht verstehen.
    Endlos kommt dem Sandner die Wühlerei vor. Wenn nur nicht die Murnauer Kollegen aufschlagen. Der Miran schnauft inzwischen bei jedem Spatenstich. Wie beim Tennismatch. Aber es geht anscheinend voran.
    Die Teenager bekommen Gesellschaft. Ein älteres Ehepaar. Der Sandner bewegt sich Richtung Friedhofstor. Breitbeinig stapft er dahin, Hände am Gürtel. Die beiden besprechen sich flüsternd. Hinter sich hört er den Miran, der etwas zum Aschenbrenner sagt. Er will wohl hinab in die Grube steigen. Endlich. Macht schon, Kruzifix! Wenn nur der Grabstein nicht rutscht. Es ist zum Glück ein kleines Marmorstückerl. Hoffentlich weiß der Miran, was er tut. Zu hören ist nichts mehr von seinen geschäftigen Maulwürfen. Die Schaufeln haben Pause. Durchschnaufen. Der Sandner ist nicht sicher, wie lange er die unbewegliche Miene noch aufrecht halten kann. Er glüht. Das Uniformhemd ist schweißnass. Ein Käuzchen schreit sich die Seele aus dem Leib – empört über die Störung. Zu

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