Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
unmittelbar spüren könne, und ob Aloe-Vera diese Novelle etwa nicht gelesen habe, die gehöre schließlich zur Allgemeinbildung. Teddy horcht auf, Bettina kichert, und wir Babys sind gespannt, wie die Sache weitergeht.
Das Dumme ist nur, dass ich Aloe-Vera ausnahmsweise Recht geben muss, denke ich zahnknirschend, denn Stillen finde ich auch sehr wichtig. Ein Leben ohne Mamas Brüste kann ich mir gar nicht vorstellen, aber ganze Bücher über das Thema zu lesen, ist nun wirklich übertrieben, und ich finde, Thomas Mann hat gut daran getan, darüber nicht zu schreiben.
Mittlerweile schaukeln wir in großen bunten Baumwolltüchern, die so aussehen, als hätten sie kokablattkauende Andenbewohner im Delirium zusammengehäkelt. Je zwei Mütter halten die Enden fest und schwingen uns hin und her.
Mir wird schlecht, und während ich noch darüber nachdenke, welches Ende des Tuches ich gleich mit geronnener Muttermilch verschönern werde, höre ich, wie Mama hinzufügt, dass natürlich erstaunlicherweise sogar sie jetzt mitbekommen habe, dass es ganz neue Studien zum Thema Stillen gäbe und ob Aloe-Vera das denn nicht wisse, es sei mittlerweile angeraten, nur noch vier Monate zu stillen.
Die PEKiP-Trulla wird puterrot, und ich bin sicher, dass das diesmal nicht der Hitze geschuldet ist.
Auch ich schwitze bei diesem Streit, denn ich bin hin-und hergerissen zwischen Person und Inhalt – das war jetzt auf jeden Fall ein Punkt für Mama, mit dem ich in der Positionierung allerdings nicht einverstanden bin.
Ungehalten raunze ich Sören-Wotan an: »Sag mal, wieso trinkst du diese Ersatz-Plörre – bist du eigentlich vor gar nichts fies?«
Er guckt mich erstaunt an. »Wieso, ist doch klasse, wenn Papa auch mal nachts ranmuss. Echt, Mia, wer ist denn hier der Emanzipiertere von uns beiden?«
Oje, unser erster Streit.
»Ja, aber ich finde, Aloe-Vera hat recht«, mischt sich Wiebke nun ein, »da soll man doch lieber vorsichtshalber auf Nummer sicher gehen, und sechs Monate sind ja nun wirklich keine lange Zeit.«
»Genau«, sage ich zu Sören-Wotan, »das schafft doch wohl jede Mama. Dein Papa kann ja stattdessen das Wickeln übernehmen.«
»So was macht der nicht«, antwortet er stolz.
»Du hast gut reden«, sagt Mama indes zu Wiebke, »du stillst ja nicht.«
»Wie denn auch als Tante«, antwortet Wiebke gekränkt, »aber ich habe immer abgepumpte Milch von Levke-Fees Mutter dabei. Falls ich doch mal etwas länger mit ihr unterwegs sein sollte, bin ich dadurch komplett flexibel, das solltest du auch mal probieren. Milchpumpen sind heute übrigens auch gar nicht mehr so teuer.«
Sie redet sich in Rage.
»Da gibt es elektrische sogar auf Rezept, oder kauf dir direkt eine Doppelpumpe, dann kannst du beide Brüste auf einmal abpumpen, oder du nimmst eine Handpumpe, dahast du gleich noch ein Armtraining mit dabei, also du musst einfach pumpen, das Kind braucht Muttermilch!«
Schweigend guckt Mama erst Wiebke und dann die von Neurodermitis geplagte Levke-Fee an.
»Wogegen soll die Muttermilch nochmal gut sein?«, fragt sie flüsternd und zieht ihre Augenbrauen hoch.
Jetzt ist Wiebke entrüstet: »Brauchst gar nicht so zu gucken, Levke-Fees Neurodermitis ist vererbt, da kann man nichts machen. – Also wenn ich nochmal Mutter wäre, würde ich richtig lange stillen.«
Ich überlege, mich von ihr adoptieren zu lassen.
»Stillen bis der Schulbus kommt, oder was«, kichert Bettina.
»Warum nicht?«, antwortet Wiebke. »Wenn es hilft? Ist außerdem viel billiger.«
Jetzt sind Bettina und Mama sprachlos.
»Genau«, kommt Aloe-Vera Wiebke eifrig zu Hilfe, »das ist die richtige Einstellung. Ich bin im Übrigen seit vielen Jahren engagiertes Mitglied im Verband freier Stillgruppen.«
»Im Verband freier waaas?«, ruft Mama ungläubig.
»Im Verband freier Stillgruppen. Die klären darüber auf, dass es in anderen Kulturen ganz normal ist, ein paar Jahre zu stillen, wie das Volk der Dogon in Afrika oder der Stamm der Kung in der Kalahari.«
Wieso sagt einem das keiner. Da muss ich unbedingt hin. Sören-Wotan und Levke-Fee signalisieren mir begeistert, dass sie gewillt sind, mitzukommen.
»Um Gottes willen«, ruft Bettina, »bei denen habe ich mal vor Jahren einen juristischen Vortrag gehalten, da hatten die alle ihre Kinder dabei, das war furchtbar.«
»Bei den Kung?«, fragt Aloe-Vera interessiert.
»Nein, in Köln-Porz. Beim Verband.«
»Ach so. – Warum war das furchtbar?«, fragt Aloe-Vera irritiert und geht in
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