Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
hören aber nicht auf, mich mit großen Augen anzustarren, als wäre ich Moses, der mit den Gesetzestafeln munter den Berg hinunterstapft.
Der Tapir singt immer noch.
Unauffällig versuche ich, mir die Ohren zuzuhalten, kriege meine Hände aber nicht koordiniert und will gerade lautstark meine Verzweiflung zum Ausdruck bringen, da fallen mir plötzlich die Augen zu, und ich werde ganz müde.
Beim Wegdämmern denke ich noch darüber nach, dass sich manchmal alles von selbst findet, und dass es letztendlich immer eine Lösung gibt, und dass das gut so ist und ich glücklich bin und meine Eltern einschließlich der Nachbarn die besten von der Welt sind, und der Tapir freut sich auch über den frühen Feierabend.
Eine geraume Weile später wache ich wieder auf und blinzle vorsichtig durch die geschlossenen Lider. Wiebke und Lutz sind immer noch da. Der Tapir auch. Teddy gibt ihm einen ordentlichen Tritt, und er kullert aus unserer Wiege.
Fast tut er mir leid, und das scheint Lutz zu spüren, denn er hebt ihn auf, zieht glücklich an seinem Plastikknubbel und legt den Tapir zwischen Teddy und mich in die Besucherritze. Der Tapir guckt mich an, ich gucke Teddy an, ich zapple entschuldigend mit Armen und Beinen herum, aber Teddy dreht sich beleidigt zur Seite und macht ›Böööööh‹.
Offensichtlich hat Teddy gerade keinen Gesprächsbedarf, und so höre ich ein Weilchen den Erwachsenen zu.
Wiebke will nun von Mama wissen, wie die Geburt war. Mama spielt daraufhin pantomimisch eine Ohnmacht nach und zeigt lachend auf Papa, der spontan die Beschaffenheit des karierten PVC-Bodens prüft.
Wiebke bleibt ernst, wird leiser und fragt Mama, es ginge sie ja eigentlich nichts an, aber ob es denn direkt geklappt habe, sie wären doch schließlich schon so lange zusammen und das wäre doch nicht ohne Risiko, und ob sie sich nicht schon zu alt dafür fühlen würde, sie wäre froh, dass ihr Horst-Michael jetzt achtzehn und zum Studium nach Braunschweig gezogen wäre, also sie würde das nicht noch mal schaffen.
Mama lacht und sagt, dass sie es in den Dreißigern zu früh gefunden hätte, und diese ganze BdMler-Nummer, das sei nichts für sie, da hätte sie dann eben lieber noch siebzig Jahre gewartet, und heute wäre ja medizinisch alles möglich.
Nun ist Wiebke sauer, und Mama erklärt, dass sie nur Spaß gemacht habe und dass, um ehrlich zu sein, doch alles seine Vor-und Nachteile hätte, früh-oder spätgebärend, das sei doch Pott wie Deckel, Schlafmangel gäb’s in beiden Fällen.
Ob es denn nun direkt geklappt habe, hakt Wiebke wissbegierig nach, und Papa brummt ›Leider ja‹, und noch leiser, er hätte ja gern noch öfter probiert, doch er verstummt unter Mamas durchdringendem Blick.
Wiebke wirkt enttäuscht, und Lutz murmelt in den Raum,er könne ja nun wirklich nichts dafür, dass seine Spermien so langsam seien, und wie das überhaupt Horst-Michael finden würde, wenn sie noch mal ein Kind, und Wiebke ruft: »Psst! Das sollte doch unser Geheimnis ...«, aber Lutz ist nicht mehr zu stoppen, und ich wundere mich über seinen Redefluss.
»Vielleicht wegen des Frühschoppens heute Morgen«, vermutet Teddy, wedelt mit der Hand vor seiner Nase herum und dreht sich wieder zur Seite.
Wiebke habe doch jetzt Levke-Fee, meint Lutz weiter, ihre Nichte, da sei sie doch Patin und könne sich kindermäßig prima dran abarbeiten und nachts trotzdem durchschlafen, besser ginge es ja gar nicht, und außerdem müsse nun aber auch mal Schluss mit dem Thema sein. Beim Erwähnen von Levke-Fee beginnen Wiebkes trübe Augen zu leuchten und weiten sich, bis sie so groß sind wie Özils beim Elfmeter, zumindest behauptet Teddy das, und Wiebke zählt mehr als ausschweifend auf, was die Kleine schon alles kann mit ihren zwei Wochen, geradeaus gucken, husten und richtiges Aa machen. Sie hätte sogar schon ein paar englische Wörter, na ja Laute von sich gegeben, das sei schon was Besonderes, aber das mit dem Aa, da glaube sie ganz fest, dass ich das sicher auch bald könne, da sei sie ganz sicher.
Ich hingegen bin mir gar nicht sicher, ob ich das überhaupt will, und gucke hilfesuchend zu Mama, während Wiebke weiter monologisiert, dass sie da wirklich ganz sicher sei, und wenn nicht, könne man ja Psychologen, das sei ja heute alles möglich.
Mama nickt angestrengt, lächelt mich verschwörerisch an und kneift dabei ein Auge zu, und ich bin mächtig stolz, ihre Mitwisserin zu sein. Dann läutet sie diskret nach der Hebamme und
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