Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
mag Jungs mit Humor und kichere ein wenig.
Gucke mir die Gruppe nun genauer an. Alle sind vollkommen verrückt geschminkt und tragen aus Solidarität blaue Müllsäcke am Pädagogenleib.
Mama sieht meinen erschrockenen Blick und flüstert mir zu, das sei nun mal Karneval, da gehöre Samba eben dazu, und sie fängt an zu tanzen wie eine wild gewordene Hummel, die sich aus Versehen selbst gestochen hat. Kaum zu glauben.
»Das soll Samba sein? Im Fernsehen habe ich mal Bilder aus Rio gesehen, auf denen haben sich schlanke Frauen in pailettierter Unterwäsche wie Elfen beim Flügelbügeln bewegt«, sage ich zu Teddy und zeige ratlos auf die Gruppe.
Teddy zuckt unter seinem Kostüm mit den Schultern und sagt trocken: »Hier in Köln wird das karibische Feeling eben anders umgesetzt, hier gibt es nur blaue Müllsäcke mit Montessori-Pädagoginnen drin, die mit selbstgeschnitzten Trömmelchen ihre versteckten Aggressionen auf Thorben und Hannibal-Fabrice kompensieren.«
Der Fliegenpilz, die Gurke und ich lachen laut, und Mama sagt zu den anderen Erwachsenen: »Guckt mal, den Kleinen gefällt’s.«
Wiebke fragt Mama, ob sie nachher mal Levke-Fee kurz nehmen könne, sie wolle mal eben mit Lutz um die Ecke, und na ja sie wisse schon, sie habe heute ihren Eisprung, und nachher seien sie doch noch eingeladen, da müssten sie halt jetzt, und das sei ja im Karneval auch ganz normal.
Mama unterbricht sie und erwidert, sie wolle das gar nicht so genau wissen, aber natürlich, sie wolle gerne für ein Stündchen auf den Fliegenpilz aufpassen.
So lange bräuchten sie nicht, sagt Wiebke grinsend und zerrt Lutz hinter sich her.
Mama schüttelt den Kopf und sagt zu Bettina, die Sambagruppe sei das Meer, denn die Gruppe hieße »Löstije Kölsche Piraten e. V.«.
Wahrscheinlich wieder zu viel gekifft, denke ich verständnislos. Das Meer. Klar. Und ich bin Ebbe, Flut und Curd Jürgens’ Mütze.
Die Pädagogen bleiben vor uns stehen und trommeln so verzweifelt, als gäbe es kein Telefon. Unsere Verbrecher-Gruppe e. V. lässt sich anstecken und hopst durch die Gegend wie sechs Grobis mit Flummi im Po.
Plötzlich kriegt meine Entenmama eine Tulpe in Plastikfolie überreicht und muss dafür einen fremden, dicken Sambatrommler küssen. Sicher Herr Montessori. Papa steht daneben und lacht.
Jetzt küsst Papa eine Frau, die sich aus bunten Putzlappen ein vermutlich kostengünstiges Kostüm zusammengeklebt hat. Auch er wird in Tulpen bezahlt.
Ich fasse es nicht.
Meine Eltern sind Räuber und Saison-Prostituierte.
Ich bin schockiert, lasse mir aber nichts anmerken und rufe weiter »... melle«.
Nun folgt ein Spielmannszug mit Blockflöten, die man quer hält. Karneval ist soooo verrückt, und es ist eindeutig zu viel Alkohol im Spiel.
Wiebke und Lutz kommen wieder und sehen irgendwie anders aus als vorher. Nehme mir vor, später darüber nachzudenken, denn der Zug ist nun vorbei, und meine Räuber-Eltern bringen die Beute in unsere Höhlen. Mama packt alles in den Schrank und sagt lachend, das läge nächstes Jahr noch dort.
Beschließe, beim nächsten Mal vorher ebenfalls zu kiffen, dann ist mir vermutlich auch das Kostüm egal.
17. Mein erstes Mal im Sitzen
Als Oma zwei Tage später zu Besuch kommt, sagt sie, es sei gut, dass die Kamellen jetzt im Schrank lägen, denn nun sei ja sowieso erst einmal Fastenzeit.
Mama erwidert, das sei doch total überholt, und sie kenne niemanden, der noch nach Karneval faste, wäre ja auch verrückt, erst noch säckeweise Süßigkeiten fangen und die dann nicht essen dürfen, das hielte doch keiner aus.
Von wegen, verteidigt sich Oma resolut, sogar ihr Johnny habe gefastet, und der sei nun wirklich sehr dem Essen zugetan gewesen, also wenn er ihre Kohlrouladen nur gesehen hätte ...
Sie verstummt unter Mamas irritiertem Blick.
» Dein Johnny?«, fragt Mama neugierig.
Oma schweigt und nestelt an ihrem Dutt herum.
Mama gibt nicht auf und insistiert weiter: »Was ist denn das nun eigentlich für eine Geschichte mit diesem Johnny, das will ich doch wirklich langsam mal wissen!«
Ich ehrlich gesagt auch. Vielleicht wurde ja die Zwei-Personen-Ehe erst vor fünfzig Jahren eingeführt, und Oma war vorher Polygamistin. Das würde auch ihre Verbitterung erklären, denn das wäre ja so, als müsse ich immer nur Möhre essen und nie auch mal ein Apfelschnitzchen, ein Stück weiches Brot oder ’ne zermatschte Kartoffel. In dem Fall würde ich zugegebenermaßen auch zum Rosenkranz greifen, da
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