Fuck the Möhrchen: Ein Baby packt aus Roman (German Edition)
Begeistert holt Teddy die Chipstüte wieder hervor, und ich schlafe vor Langeweile ein.
~
Ein paar Tage später ist Mama plötzlich ganz aufgekratzt und sagt, heute sei Karneval und sie habe mir mein erstes Kostüm gekauft.
Karneval, mh.
Habe mal gehört, da würde erst viel getrunken und dann in fremden Vorgärten ungewollt Kinder gezeugt, und dafür fühle ich mich einfach noch nicht reif genug, obwohl ich zugeben muss, dass ich Sören-Wotan auch körperlich sehr schätze.
Mama raschelt mit einer Plastiktüte herum und holt etwas für mich zum Anziehen heraus.
Ich fasse es nicht.
Es ist ein Entenkostüm.
Was für eine tolle Idee.
Teddy kriegt sich nicht mehr ein vor Lachen, doch ich finde das gar nicht witzig und rufe ihm zu: »Brauchst gar nicht so zu lachen! Meine Eltern haben sich bestimmt was dabei gedacht.«
»Jau«, wiehert Teddy, »nur dass die Ente ein Tier ist, bei dem die Frau hässlicher ist als der Mann, das haben sie nicht bedacht, haha.«
Bin gekränkt.
Ich weiß, dass ich keine Haare habe. Als ob das für ein Mädchen nicht schon Katastrophe genug wäre, finde ich außerdem, dass man ja nicht alles offensiv angehen muss.
Teddy erklärt entschuldigend: »Es ist ja nun mal so, die Entenfrau ist hässlicher als der Entenmann. Ehrlich, so übertreibt die Ente Gleichberechtigung.«
Er überlegt.
»Das ist ja genau so, als würden Frauen die Gleichberechtigung umsetzen, indem sie jetzt auch im Stehen Pipi machen.«
Nun muss ich auch lachen.
»Genau!«, schreie ich. »Die bekloppte Ente! Und dann das sprachliche Niveau – was ist denn das für ein Vorbild? Einen Ein-Wort-Satz, mehr hat die Ente nicht auf der Pfanne.«
»Gack!«, macht Teddy, während ich laut nachdenke: »Vielleicht war das Kostüm auch bloß billig. Papa und Mama gehen jedenfalls auch als Enten.«
»Die können einfach nicht loslassen und bringen dir wahrscheinlich noch mit fünfunddreißig Dinkeltierkekse ins Bundeskanzleramt, haha.« Teddy kringelt sich vor Lachen.
Fühle mich geschmeichelt. Dass Teddy mir solch einen Posten zutraut, hätte ich nicht gedacht, und ich bin froh, ihn als Freund zu haben.
»Genau. Und wenn es bei ihnen finanziell nicht so läuft, verkaufen sie dann die Entenfotos an die Bildzeitung. Zusammen mit dem Popel.«
Diese Vorstellung behagt mir allerdings gar nicht, und ich erwäge spontan, mich umzubringen.
»Das lohnt nicht, Mia«, sagt Teddy, »außerdem geht es jetzt los.«
Tatsächlich, die ganze Geflügelfarm soll jetzt nach draußen. In die Öffentlichkeit. Teddy gackert: »Peinlicher werden die in der Pubertät auch nicht mehr.«
Er hört auf zu lachen, als Mama ihm stolz ein offensichtlich selbstgenähtes winziges Enten-Kostümchen anzieht.
»So, Teddy, jetzt bist du auch fein rausgeputzt!«, verkündet sie strahlend und drückt ihn mir in den Arm.
»Mitgehangen, mitgefangen«, flüstere ich ihm zu und verkneife mir das Grinsen.
Zwei Enten und zwei Erpel ziehen nun los.
In der Nähe ist ein Ententeich, den viel zu viele dieser merkwürdigen Schnabeltiere als ihr Zuhause betrachten. Angst wohnt in meinem Gedärm, denn ich bin alles andere als ein Rudeltyp. Ich hasse die Masse. Sören-Wotan hat mal gesagt, es gäbe Bücher, da wimmle es nur so von Menschen, Hühnern und Rauhaardackeln, die seien geradezu vollgestopft mit dem Zeug, und ich hoffe inständig, dass mir so was erspart bleibt.
Zum Glück zieht Papa Mama aber vom Teich weg in Richtung Straße. Plötzlich bleibt er stehen. Sicher will er als Ente perfekt sein und ein Körnchen aufpicken, doch er sagt, wir würden hier jetzt auf den Zug warten, und er packt begeistert zwei Bierflaschen aus.
Aha. Scheinbar führt bereits die Planung von alkoholisierten Rauschzuständen zu einem benebelten Bewusstsein.
Papa gibt mir nun mein Milchfläschchen mit den Walen, Delphinen und den immer noch ulkigen Pistolenkrebsen drauf, und ich hoffe, dass er die Milch nicht aus lauter Feierlaune mit Bier gestreckt hat.
Ein paar Minuten später trudeln auch Sören-Wotan und Levke-Fee mitsamt Anhang ein. Beinahe verliere ich die Selbstbeherrschung, denn Levke-Fee geht als Fliegenpilz und Sören-Wotan als Öko-Gurke. Sogar ein originalgetreues Bio hat Bettina auf die Gurke gepinselt, und ich frage Sören grinsend, ob ich ihn mal anknabbern darf.
Er flüstert mir warnend zu: »Sag jetzt bloß nichts, du siehst genauso bescheuert aus.«
Wenn einer die kreativen Ideen meiner Eltern beleidigen darf, dann ja wohl ich, denke ich, und lasse ihn
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