Fucking Berlin
aussahen. Die Ausstattung der winzigen Zimmer beschränkte sich auf eine Matratze auf dem Boden und eine kleine Kommode, auf der eine Packung Taschentücher lag. Duschen konnten die Gäste nicht und das Klo war klein und dreckig.
Sven, der Besitzer des Puffs, roch nach Schweiß. Nachdem er mir den Laden gezeigt hatte, fragte er höflich, ob ich gleich bleiben wolle. Als er mir die hiesigen Preise erklärte, bekam ich fast einen Schock: ein Quickie, also zehn Minuten Sex, war schon für dreißig Euro zu haben, die halbe Stunde bereits für fünfzig. Davon mussten die Mädchen allerdings nur ein Drittel abgeben (in anderen Läden waren fünfzig Prozent üblich). Extras, wie Blasen ohne Kondom oder Küssen, machten fast alle Frauen für zehn Euro extra, ich allerdings wusste schon jetzt, dass ich das nicht anbieten würde. Wenn sich hier jemand Krankheiten holen wollte, war das sein Problem, nicht meines.
Insgesamt hatte ich von dem Laden keinen positiven Eindruck, aber ich brauchte dringend Geld, und so zog ich noch an Ort und Stelle meine Klamotten aus, setzte mich in Slip und BH in die Küche, packte meine Bücher aus und fing an, für die Uni zu lernen.
Außer mir saß nur noch eine Frau namens Leyla am Tisch, die mich eine Zeitlang musterte und dann sofort anfing, mir intime Geschichten aus ihrem Leben zu erzählen. Offiziell war sie fünfunddreißig, wie sie sagte, sah aber aus wie fünfzig. Sie hatte gelbe Zähne vom Rauchen und Falten wie ein Mops. Sie trug einen durchsichtigen, weißen BH mit Blumenstickereien, der gar nicht zu ihr passte. An diesemNachmittag hatte sie noch einen Termin mit ihrem Bewährungshelfer, wie sie mir offenbarte, und musste unbedingt pünktlich sein, ansonsten würde ihr Knast drohen. So wie ich es verstand, hatte sie in Diskos Schlägereien angezettelt und war daraufhin vor Gericht gelandet.
Nach solchen und ähnlichen Storys war ich diesmal ausnahmsweise froh, als ich meinen ersten Kunden hatte. Ein junger Typ, höchstens zwanzig, mit rosigen Wangen und blonden Locken. 2
Nachdem Leyla und ich uns vorgestellt hatten, wählte er mich aus. Er war total schüchtern und entschuldigte sich, dass er nicht so viel Geld hatte. Wir einigten uns auf einen Quickie für dreißig Euro. Er war unglaublich aufgeregt, traute sich kaum, mich anzurühren, und spritzte sofort ab, als ich seinen Schwanz anfasste. Danach zog er sich schnell an, bedankte sich und ging. Eigentlich doch eine ganz leichte Arbeit, dachte ich in diesem Moment.
Doch schon im Lauf des Tages änderte sich meine Meinung. Es kamen fast nur noch Türken oder Araber, die meisten von ihnen in Gruppen von acht oder zehn Leuten. Als ob ein Bordellbesuch eine Tätigkeit wäre, die man mit Kumpels unternimmt, wie Saufen oder Fußball gucken. Esgab immer einen Anführer, der oft als Einziger deutsch sprach. Er musterte die Frauen im Aufenthaltsraum und entschied nach kurzer Rücksprache mit seinen Leuten, wer mit wem auf Zimmer ging. Es war wie auf dem Viehmarkt. Unsere Namen merkten sie sich sowieso nicht. Sie machten fast immer Quickies, an denen wir kaum was verdienten. Dafür wurden wir dann auch noch bis ans Ende der vereinbarten Zeit total durchgebumst, in jeder Stellung, am liebsten anal und, was ich natürlich nicht erlaubte, ohne Gummi. Außerdem waren sie oft ungeduscht und grabschten einen an wie ein Stück Fleisch, ohne Zärtlichkeit oder Respekt. Natürlich gab es solche Kandidaten auch unter deutschen Kunden, aber das waren eher die Ausnahmen. Und auch die hatten zumindest nicht diese Verachtung in den Augen, wenn sie Sex mit mir hatten.
Als ich mich einmal bei meinem Chef über das herabwürdigende Verhalten unserer Klientel beschwerte, zuckte er nur ungerührt mit den Schultern. »So machen wir unser Geld. Wir sind ja nicht in Zehlendorf.«
Schon nach einer Woche fand ich die Arbeit nur noch abstoßend. Ich freute mich auf die Tage, an denen ich rund um die Uhr Vorlesungen hatte und nicht im Puff arbeitete, die Tage, an denen ich einfach Sonia sein durfte und mit Kommilitonen nach Vorlesungsschluss in der Cafeteria noch einen Kaffee trinken konnte. Manchmal machte ich auch Fahrradausflüge mit Ladja, dann grillten wir am See oder badeten in der Dämmerung. Umgeben von alten Bäumen und Vögeln, vergaß ich den Wedding, die stinkenden, gierigen Kunden und die ganzen dummen Gespräche mit meinen Kolleginnen im »Club One« über Männer, Kondome, Stellungen und Intimrasuren.
Nur auf Sex mit Ladja hatte ich keine Lust
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