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Fucking Berlin

Fucking Berlin

Titel: Fucking Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Rossi
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dass ich an der Tankstelle arbeite. Mein Gott, er war selber gerade achtzehn und kannte meine ganze Familie, er wäre gestorben, wenn er gewusst hätte, was ich wirklich mache. Zum Glück stand neben dem Puff tatsächlich eine Tankstelle, dort wartete ich dann jeden Abend auf meinen Süßen.«
    Ich versuchte, sie mir in einem Blaumann von Aral vorzustellen, darunter Spitzenwäsche.
    »Wollte er nie mal mit reinkommen?«, fragte Anja erstaunt.
    »Er war schüchtern, verliebt und vertraute mir blind. Ich habe ihm immer gesagt, dass mein Chef unsympathisch sei, und er hatte wohl ein wenig Angst vor ihm.«
    Ende August half Ladja bei einem Straßenfest im Kiez aus. Ich hatte keine Lust, hinzugehen, doch insgeheim hoffte ich, Milan dort zu treffen, dessen ewig langer Urlaub langsam zu Ende sein musste. Ich sah ihn tatsächlich an einem Biertisch mit einer Bekannten aus dem »California« stehen. Ich bestellte eine Cola und setzte mich so unauffällig wie möglich auf eine Bank in seiner Nähe.
    »Sie macht mich bekloppt«, rief er. »Ich ackere mich kaputt für die Familie und ihr ist es nie genug. Soll sie einen anderen Idioten finden.« Sie haben sich gestritten, dachte ich und verspürte so etwas wie Schadenfreude, wofür ich mich sofort schämte. Dann erst sah er mich und wurde sofort still. Er nickte mit dem Kopf unauffällig nach rechts und ich stand auf und ging bis zum Ende der Straßensperre. Er kam fünf Minuten später nach. Ich warf mich an seinen Hals und spürte nichts außer himmlischer Freude.
    »Nicht hier«, flüsterte er und küsste dabei mein linkes Ohr. »Ich will nicht, dass alle über uns tratschen.«
    Wir liefen stumm nebeneinander in Richtung Tiergarten. Plötzlich zerrte er mich durch eine automatische Tür und wir standen in einem Raum neben einem Geldautomaten. Er drückte mich gegen die Wand und wir küssten uns lange und mit Genuss. Drei betrunkene Jugendliche mit bunten Haaren liefen draußen vorbei und klatschten. »Liebe ist was Wunderschönes!«, grölte einer von ihnen.
    »Sag mal, gehst du anschaffen?«, fragte Milan mich unvermittelt, als wir etwas später auf einer Parkbank saßen, und schaute mich dabei so forschend an wie eine Mutter, die gerade ihre Tochter beim Rauchen erwischt hat.
    »Wie – wie kommst du darauf?«, stotterte ich, um Zeit zu gewinnen – nicht gerade die richtige Antwort für eine unschuldige Studentin. Das ist das Ende, dachte ich. Deine Märchen hat er eh nie geglaubt, und wenn er die Wahrheit erfährt, wird er dich nie wiedersehen wollen. Wer will schon mit einer Frau zusammen sein, die mindestens mit zwanzig Männern pro Woche in die Kiste springt?
    »Tomas hat etwas von einem Puff in Charlottenburg erzählt«, erwiderte er.
    »Wieso kann der nie die Klappe halten«, seufzte ich.
    »Zwingt dich jemand dazu?«, fragte er nach einer bedrückenden Pause besorgt.
    »Nein, nein, im Gegenteil«, sagte ich eifrig. Ich erzählte ihm von der »Oase« und von den Mädchen, mit denen ich gut befreundet war. Manche Details beschrieb ich ein wenig anders oder ließ sie aus, und ich versicherte ihm auch, dass ich nur »extrem selten« richtigen Sex hatte und mir in dem Fall die Männer aussuchen durfte, was natürlich nicht so ganz stimmte. Ich laberte pausenlos und er starrte nachdenklich in den wolkenlosen Himmel.
    »Bist du enttäuscht?«, fragte ich, als ich glaubte, alles gesagt zu haben. »Ich mache es wirklich nur, damit ich studierenkann. Wenn ich meinen Abschluss habe, werde ich nie wieder dorthin gehen.« Diesen Satz wiederholte ich mehrfach und streichelte dabei seine Hand.
    »Nein, ich bin nicht enttäuscht«, sagte er nach einer Weile, aber er klang zumindest traurig. »Ich war ja selber ein Stricher und habe auf diese Weise Josh kennengelernt. Ich weiß also, wie das ist. Ich war jung und hatte kein Geld und von einem ordentlichen Job habe ich auch nichts gehalten. Es war nicht einfach – ich bin nicht schwul. Aber ich habe auch schöne Erinnerungen an die Zeit. Ich und die anderen Jungs, wir haben uns sehr frei gefühlt.«
    Seine Erinnerungen klangen mir vertraut. Er war wie ich ein Mensch, der sich schon in jungen Jahren nach Abenteuern gesehnt und schon früh das Bedürfnis nach körperlicher Liebe verspürt hatte. Und irgendwann war er in die große, weite Welt aufgebrochen, voller Träume – genauso, wie ich es seinerzeit gemacht hatte, als ich von Italien nach Berlin kam.
    Bis zum Einbruch der Dunkelheit lagen wir auf der Wiese unter einer Eiche.

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