Fuego, Andréa de
Milch, und danach bringen wir ihn zur Polizei. Und dann kannst du deinen Bruder besuchen.«
»Morgen komme ich mit Ihnen wieder hierher und kaufe meine Fahrkarte.«
»So machen wir’s, ich fange um sechs auf der Toilette an. Zuerst das Baby, dann du.«
Sie fuhren mit dem Zug in die Vorstadt. Dinorá öffnete die Haustür, und in der Küche saßen zwei Nudeln essende Kinder.
»Das ist Júlia, und das Baby hier nenn ich mal Jorge, ich habe die beiden im Busbahnhof aufgelesen. Ihr schlaft heute im Wohnzimmer.«
26. Kapitel
MARIE HATTE KOPFSCHMERZEN infolge einer hartnäckigen Erkältung. Cecille trat ohne anzuklopfen ins Zimmer, setzte sich auf die Bettkante und öffnete den Brief.
»Darf ich ihn aufmachen?«
Widerwillig machte Marie auf dem Bett Platz.
»Schwestern,
ich glaube, ich war im Irrtum bezüglich der Erziehung, die den Kindern in Ihrer Klosterschule und Ihrem Waisenhaus zuteilwird. Erziehung erkennt man an der Zurückhaltung und am Anstand. Doch Júlias Flucht, vermutlich in die Serra Morena, veranlasst mich, sie Ihnen zurückzugeben. Ich betrachte sie wegen dieses Ungehorsams nicht mehr als die meine – welche Ironie, wo sie doch unter Ihrer Obhut aufgewachsen ist. Lassen Sie uns in gegenseitigem Frieden auseinandergehen, es gibt keine Opfer und keine Täter. Amen.«
»Diese Frau ist noch unvernünftiger als Júlia«, sagte Marie.
»Leila dachte wohl, wir würden sie ihr vollständig erzogen übergeben, aber eine Frau wird erst später reif.«
»Was machen wir?«
»Ich fahre morgen in die Serra Morena und gebe Nico Bescheid. Er hat kein Wort darüber verloren, dass seine Schwester nicht da war, wahrscheinlich aus Angst, in Tränen auszubrechen.«
»Aber wo ist Júlia, Cecille?«
»Auf dem Weg natürlich, aus irgendeinem Grund hat sie sich verspätet.«
»Und wenn Maria sie nicht aufnimmt?«
»Das wird sie tun, sie ist eine vorbildliche Christin, das habe ich gesehen. Mit zwei Männern schafft sie den Haushalt sowieso nicht allein. Ich wette, in einem Jahr ist das erste Kind da.«
»Richtig, sie ist ja mit zwei Männern allein«, sagte Marie.
»Na ja, Antônio ist eher Nicos Sohn, er wird wohl nie erwachsen werden.«
»Die Natur ist grausam, hier im Hof wäre er unter unserer Obhut verblieben.«
»Júlia muss ankommen.«
27. Kapitel
TIMÓTEO KAM MIT einem Umschlag an. Geraldo machte ihn auf.
»Hier steht, dass heute Nachmittag alle in die Kapelle kommen sollen. Eine allgemeine Bekanntmachung, sie kommt aus der Stadt. Du gehst für mich hin, Timóteo. Es ist bestimmt nichts Ernstes, wahrscheinlich wollen sie den Leuten nur einen neuen Arzt vorstellen.«
Nico arbeitete noch immer auf der Fazenda Rio Claro. Maria erhielt die Nachricht zu Hause, aber sie konnte nicht lesen. Antônio las langsam, Silbe für Silbe.
»Wir schließen hier ab und gehen los. Nico kommt bestimmt mit Timóteo und Tizica von der Fazenda aus. Inzwischen haben sie die Nachricht bestimmt auch erhalten.«
Häuser wurden verschlossen, und nach und nach trudelten Kinder, Frauen und Männer ein, danach die Hunde. Sie trafen sich auf dem Weg und rätselten. Nie hatte es einen solchen allgemeinen Aufruf gegeben, und zudem mit Dringlichkeit.
Die Kapelle war voll, ein Mann mit klarer Stimme überbrachte die Nachricht. Für die Entwicklung der Region würde ein Wasserkraftwerk gebaut werden. Dafür musste Wasser gestaut werden. Der geeignetste Standort umfasste einen Großteil der Fazendas einschließlich des Tals der Serra Morena. Das Unternehmen würde ihnen die Ländereien abkaufen und den Bau neuer Häuser in der Stadt ermöglichen. Die Zukunft war gekommen.
»Wo kommt das Wasser her?«
»Wie viel Wasser hat in dem Tal Platz?«
»Wird es unsere Häuser überfluten?«
»Mein Haus verlass ich nicht mal als Toter.«
Der Mann hinterließ die Adresse, unter der sie den Preis für ihre Häuser aushandeln konnten, und verabschiedete sich.
»Ich ertrinke zuerst, weil ich kleiner bin«, sagte Antônio.
»Werden sie uns ertränken?«, fragte Tizica.
»Ich glaube, das Wasser kommt alles auf einmal«, sagte Timóteo.
Die Kapelle leerte sich, nur Eneido, der ehemalige Nachbar von Donana und nun von Nico, blieb zurück. Das Haus, in dem er geboren und aufgewachsen war, würde niemand einreißen, mit dem Hammer bearbeiten oder zu Staub machen. Stiege das Wasser tatsächlich, dann sollte es sein Haus komplett überfluten, und zwar mit ihm drin. Mit sämtlichen Möbeln, den Kindern und der Frau, der Wäsche auf der
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