Fuego, Andréa de
über den Boden, die Termitenhaufen, die trockenen Büsche, Pferde flohen.
Nico wachte auf, weil der Hahn außer der Zeit krähte. Er trat hinaus, die Nacht mit einer Kerze erhellend, und sah einen Glanz, fließend, gläsern, der Mond war verdeckt. Wie ein Weichtier, ein Tintenfisch, alle Tentakeln auf die Häuser gerichtet, kam der Staudamm ins Tal.
Nico weckte Maria und Antônio, und mit nichts als dem, was sie auf dem Leib trugen, verließen sie das Haus, auf der Lehmpiste nur sie drei.
»Wir müssen nur hoch, nicht mal bis ganz nach oben. Ich geh noch bei Tizica vorbei und warne Timóteo«, sagte Nico.
»Nein, wir steigen hoch und du kommst mit«, antwortete Maria.
Antônio schämte sich, dass er weinen musste, weinte aber trotzdem, leise, still.
»Kommt das Wasser auch bis zu Júlia?«, fragte Antônio.
»Júlia ist weit weg, in einem sicheren Haus«, antwortete Nico.
Maria war ruhig, ein hormonelles Wunder. Antônio war der Letzte in der Dreierschlange auf dem Bergrücken der Serra Morena. Außer Eneido leisteten ein paar weitere Bewohner Widerstand. Sie schliefen den Schlaf des Meeres, obwohl Federvieh, Schweine und Hunde in Aufruhr waren, nichts riss sie aus ihrer Ruhe. Als hätte eine vorherige Entscheidung sie eingeschläfert.
Eneido wachte auf und riss die Augen auf. Er trat ans Fenster und sah, wie das Tal zur Wasserschüssel wurde. Es war eine eisige Strömung, er spürte sie an den Waden.
Geraldina blieb im Haus, Antônio merkte nicht einmal, dass er dadurch noch leichter war, als die Situation ihn ohnehin gemacht hatte, die drängende Flucht, die Angst vor der Katastrophe. Geraldina blieb, weil ihr die hohe Luftfeuchtigkeit unerwartet gut tat, sie verharren ließ wie lösliches Pulver in Erwartung der Flüssigkeit, die es in einen anderen Zustand versetzt.
Familien begannen aufzuwachen, Wasser bis an den Rand des Waschbeckens, es nässte die Arme der im Bett Liegenden. Dunkel. Streichhölzer und Kerzen wurden nass, Petroleum verschüttet. Eneido setzte sich auf die Veranda, Wasser bis zu den Knien. Schwimmen konnte nur Geraldo, und der stieg in seinem Schlafzimmer gerade eilig in seine Stiefel, das Gutshaus lag etwas höher.
Das Wasser sprengte sämtliche Hindernisse, ein hysterischer Sturzbach. Die Wasserwand riss Zäune ein, die rostigen und die wurmstichigen. Menschen rannten auf die Straße, als sie sahen, wie ihr Haus überflutet wurde, wie das Wasser die Zimmer füllte, als wären es Gläser unter dem Wasserhahn. Eneido stieg aufs Dach, setzte sich und beobachtete, wie ein grüner Teller sich mit schwarzem Honig füllte, der zähe Glanz des sich bildenden Stausees in der Nacht.
Eine Familie war wie gelähmt angesichts der Überschwemmung, verließ ihr Haus nicht, ertrank still. In Ehrfurcht vor der Natur nahmen sie den Lauf des Fortschritts an, der sie zum Opferlamm machte. Eine triumphale Lähmung, einer Morphiumspritze gleich, ohne Schmerzen, still.
Auf der Höhe der Serra Morena Nico, Maria und Antônio. Auf dem Dach seines Hauses Eneido. Sonst niemand.
31. Kapitel
EHE ES HELL wurde, veränderte das Wasser die Berührung mit den Dingen. Unter dem Staudamm ein Wind, von der Oberfläche verdeckt, die Luft kam aus dem Boden, Pflanzen wurden verdrängt, Fische traten zutage.
Geraldina verformte sich unter Wasser wie eine auf dem Meeresgrund ruhende Perlenkette, ihre klare Struktur löste sich auf, sie verströmte Sauerstoff, während sie sich ausbreitete. Einzelne Teilchen lösten sich, bedingt durch den Auftrieb, andere strömten aus dem Haus, stiegen an die Wasseroberfläche. Ein Teilchen landete unter dem Stuhl, jedes eine Tentakel ohne Körper, ein Kopf, eine Rinde. Geraldina wurde zum Ameisenhaufen ohne Königin, dessen Arbeiterinnen einem Naturgesetz folgten. Die Summe aller Perlen bildete die Kette, ganz gleich, wo die einzelnen Perlen landeten. Die Auflösung fand kein Ende, und je weiter die einzelnen Teile voneinander entfernt waren, umso ferner wurde das Denken. Eine Formel, deren aktives Prinzip geschwächt war.
Schnell bildete sich Schlamm im Haus. Das Wasser im Filter vermischte sich mit den übrigen Flüssigkeiten, dem Abwasser, den Pfützen, der Milch in den Krügen.
Geraldo schaffte es, Tizica aus ihrem Schlafzimmer zu zerren und mit ihr in die Stadt zu reiten, Timóteo schloss sich an. Tizica und Timóteo schliefen im neu erstandenen Haus, Geraldo kehrte in die Serra Morena zurück, um im Hellen zu sehen, was aus dem Tal geworden war. Als er von der Straße
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