Fuego, Andréa de
lachten. Sie sagte etwas, das die Mutter veranlasste, mit dem großen Jungen auf dem Arm aufzustehen und schnell zu der Rolltreppe zu laufen, die zu den Plattformen führte. Die Frau in Grün nahm den Kinderwagen mit dem jüngeren Kind und half der ungeschickten Mutter. Die beiden rannten und verlangsamten im selben Rhythmus, Júlia sah genau hin, von ihrem Platz aus konnte sie alles sehen, ohne den Kopf wenden zu müssen.
Die gutgekleidete, höflich lächelnde Frau zog den Kinderwagen blitzschnell zurück, als die Mutter bereits auf der Rolltreppe war und nicht mehr zurückkonnte, da andere Leute mit Koffern in der Hand hinterherkamen. Sie rollte den Kinderwagen zur Toilette, aus der sie weiß gekleidet und mit einem Päckchen im Arm wieder herauskam und verschwand. Dinorá unternahm nichts. Júlia verspürte Hunger und veränderte ihre Sitzposition.
39. Kapitel
MARIAS FÖTUS SANK auf den Grund des Staudamms, der Stoff, in den er eingewickelt war, blähte sich auf und schwebte davon. Fische schwammen zu dem Fötus, doch er machte ihnen keinen Appetit, sie bildeten einen Kreis um ihn und beobachteten das menschliche Gebilde. Das Blut aus dem Stoff verband sich mit Geraldina. Da sie schon so stark aufgelöst war, vereinte sich der kleinste Teil von ihr mit dem kleinsten Teil des Blutes.
In der neuen Stadt warteten die Drähte zwischen den Masten auf das Licht, das aus der Zivilisation, dem gestauten Wasser, der Wut des eingesperrten Wassers kommen sollte. In der Serra Morena stellte Maria eine Lampe im Wohnzimmer auf. Nico öffnete das Fenster, wollte erleben, wie die neue Stadt sich in der Ferne erhellte. Die Gesichter der drei waren heiter.
Geraldina nahm nach und nach eine Leuchtkraft an. Sie strahlte derart, dass sie von dort oben wie ein Glitzerfaden wirkte, der eine unberechenbare, nicht zu begrenzende Route auf dem Wasser eingeschlagen hatte. Geraldina wurde von den Kraftwerksrohren geschluckt, von der Fortschrittsmaschine.
»Drück hier, Nico, die Stadt ist aufgeflammt.«
Maria lächelte vor sich hin, die Stadt unter ihnen war ein Blumenstrauß aus Glühwürmchen. Nico legte den Finger auf den Schalter und drückte. Geraldina mündete in die Glühbirne, vibrierte um die Spirale herum, erhaben. Das Wohnzimmer erhellte sich in den Ecken, die Möbel warfen sanfte Schatten. Maria löschte die Kerzen. Antônio klatschte in die Hände und blickte zur Decke.
40. Kapitel
FAST ELF UHR abends, Dinorá war bereits zu Hause, Júlia noch immer auf derselben Bank. Sie aß ein fades Abendessen, keine der Arbeitskolleginnen erkannte sie unter den Reisenden. Ein Mann kam auf sie zu. Schläfrig, wie sie war, merkte sie nicht, dass er sich ihr näherte.
»Júlia?«
Messias’ offenes Lächeln legte seine Zahnplomben frei, sein Mund roch nach Minze, der Oberkörper nach Kölnischwasser.
»Ich wäre bis in die Serra Morena gefahren, um dich zu suchen und mein Geld einzutreiben.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich.«
Er nahm sie bei der Hand und führte sie fort.
»Du schläfst in dem kleinen Zimmer hinterm Laden. Dona Leila darf dich nicht sehen, und Ludéria besser auch nicht.«
»Die haben mich ja nicht mal gesucht.«
»Sie dachten, du seiest bei deiner Familie oder im Waisenhaus. Aber Ludéria hat erfahren, dass du bei den Nonnen nicht aufgetaucht bist, das hat mich beunruhigt.«
Bei Messias legte Júlia sich auf eine Matratze ohne Laken, eine Ratte zerbiss in einer Ecke gerade etwas Hartes. Der Laden befand sich in der Nähe der Kirche, und die Kirche war nicht weit von Leilas Haus entfernt. Ludéria würde spätestens in einer Woche dort vorbeikommen. Messias hatte das Geschäft einem Angestellten anvertraut, um in die Serra Morena oder an irgendeinen anderen Ort zu reisen, auf der Suche nach Júlia. Er schlief erleichtert ein, nicht einmal die Stadt hatte er verlassen müssen, das Mädchen schlief in seinem Heim.
»Ich will nicht, dass Ludéria mich sieht.«
»Das kann ich dir nicht versprechen.«
Messias bemerkte die Erschöpfung des Mädchens, den Ausschlag am Arm, rot und blasig. Sie wusste nicht, was es war, vielleicht der Schinken vom Busbahnhof.
»Du bist einfach geschwächt, ich besorge dir ein Mittel.«
Júlia brachte den Tag damit zu, das Zimmerchen aufzuräumen, sie schleppte offene Bohnensäcke weg, stapelte Ölbüchsen in einer Ecke. Die Ratten schliefen in ihren Löchern, bei ihrer nächsten Mahlzeit wären sie diskreter. Am zweiten Abend klopfte Messias vor dem Schlafengehen an ihre Tür. Sie
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